Große Feuerwehrübung dient auch der Überprüfung der Patientensicherheit
Nassau. Wo ist Linie 17? Seit einigen Minuten schon schrillt ein heller Ton durch das Marienkrankenhaus. Die unangenehme Frequenz bedeutet „Feueralarm“. Die leitenden Mitarbeiter der Verwaltung und der medizinischen Abteilung haben sich im Foyer versammelt. Die Alarmtafel zeigt Linie 17 als Ort des gemeldeten Brandes an. Der stellvertretende Pflegedirektor Hans-Jürgen Herbener reagiert sofort, schnappt sich um 18.35 Uhr den Ordner mit den Brandschutzplänen, lokalisiert die Räume, wo der Alarm ausgelöst wurde und läuft dorthin. Unterdessen fragen sich die anderen: „Wo soll das denn sein?“
Diesmal ist es nur ein Probealarm. Die Freiwillige Feuerwehr der Verbandsgemeinde Nassau und der Brandschutzbeauftragte des Krankenhauses, Sven Schlesinger, hatten die Übung verabredet. Und trotzdem sind alle ganz aufgeregt. „Es ist das erste Mal, dass ich diesen schrillen Ton überhaupt höre“, verrät die kaufmännische Direktorin Barbara Werder.
„Wir müssen feststellen, ob da noch jemand ist“
„Ist die Feuerwehr jetzt schon alarmiert?“, fragt sich Pflegedirektorin Schwester Placida Fennenkötter. Noch nicht. Denn Hans-Jürgen Herbener muss sich erst vergewissern, dass es kein Fehlalarm ist. „Dazu bin ich verpflichtet“, erklärt er. Als er wieder oben ankommt, sagt er den anderen: „Unten ist Rauch. In der physikalischen Abteilung. Wir müssen feststellen, ob dort noch jemand ist.“ Nun sind die Ärzte am Zug. Chefärztin Dr. Cornelia Lippold und der leitende Oberarzt Dr. Josef Rein funken ihre Abteilungen an.
Die Feuerwehr flüstert ihnen zu, dass ein Patient vermisst ist. „Ist das vielleicht einer unserer demenziell Erkrankten? Könnte der draußen sein?“, fragt Barbara Werder. „Nein“, ist Manfred auf der Springe überzeugt. „Dann hätte unser Patientensicherungssystem ausgelöst.“ Ein angelegtes Armband schützt solche Risikopatienten nämlich vor dem unbeaufsichtigten Verlassen des Krankenhauses.
Endlich stellt der technische Leiter des Krankenhauses den schrillen Ton ab. Pflegedirektorin Schwester Placida Fennenkötter denkt daran, an den Eingang zu gehen, um die Feuerwehr in Empfang zu nehmen. Barbara Werder und der stellvertretende Direktor Stephan Stork informieren per Handy und Funk weitere Mitarbeiter.
18.40 Uhr: Mit Martinshorn rücken die fünf Fahrzeuge der Feuerwehr an. 22 Einsatzkräfte springen vom Wagen, rollen Schläuche aus, legen schweres Atemschutzgerät an. Fast 20 Kilogramm wiegt diese Ausrüstung. Hans-Jürgen Herbener verrät ihnen, wo er den Rauch gesehen hat. Schon arbeiten sich einige Feuerwehrleute mit ihrer Ausrüstung in diese Richtung vor.
Dichter Nebel erschwert die Sicht
Im Untergeschoss angekommen, kriechen sie von Tür zu Tür durch den Flur. Dichter Nebel erschwert ihnen die Sicht. Die Funkverbindung reißt zeitweilig ab. Die Lampen auf ihrem Helm helfen da auch nicht mehr viel. Also müssen sie fühlen. „Diese Tür hier ist ganz heiß“, sagt einer der Feuerwehrleute. Zu viert sammeln sie sich an dieser Stelle. Einer zählt bis drei, dann reißen sie Tür auf. Jetzt wird der Qualm noch dichter, auch wenn es in diesem Fall nur synthetischer Nebel ist. „Da muss irgendwo jemand liegen“, meldet ihnen Einsatzleiter Jürgen Schwarz über Funk. Dann verteilen sich die Lichter im Raum, bis einer ruft: „Hier hier“, Die Worte sind nur dumpf durch eine Atemmaske zu hören. Die Lichter sammeln sich, der bewusstlose Patient ist gefunden. Zwei der Einsatzkräfte bringen die 50 Kilogramm schwere Puppe auf einer Trage nach draußen. Vorsichtig tasten sie sich im dichten Nebel voran. Die anderen beginnen jetzt mit den Löscharbeiten. Um 19.20 Uhr vermelden sie schließlich: „Feuer aus!“
Ein Einsatz unter realistischen Bedingungen
„Das war ein Einsatz unter realistischen Bedingungen“, erklärt Wehrführerleiter Mark Horbach eine halbe Stunde später bei der Abschlussbesprechung vor dem Eingang des Krankenhauses. Dort sammeln sich die leitenden Angestellten der Klinik und die 22 Einsatzkräfte. Sven Schlesinger, selbst Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, gibt zu: „Wir haben heute einiges dazugelernt. Aber wir durften auch feststellen, dass unsere Rauchmelder und die Alarmanlage funktionieren.“ Barbara Werder gesteht: „Wenn man so etwas praktisch übt, ist es eben doch etwas ganz anders als in der Theorie. Ich werde jetzt erst einmal verinnerlichen, wo in unserem Krankenhaus welche Linie ist…“
Sie betont: „Die Sicherheit der Patienten und der Brandschutz haben bei uns einen sehr hohen Stellenwert.“ Erst im Frühjahr wurde das neue Patientensicherungssystem installiert. Und deshalb habe man auch eine Übung wie diese gewollt. Auch an der Hufeland-Klinik in Bad Ems, dem zweiten Haus der Katholischen Kliniken Lahn in Trägerschaft der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel, stünde die Sicherheit an erster Stelle. Deshalb würde dort gerade die gesamte Brandmelde-Anlage neu installiert – mit Kosten von rund einer Million Euro: „Aber das ist es uns wert.“ Sven Schlesinger fügt allerdings hinzu: „Bei allen Sicherheitsvorkehrungen wollen wir einen solchen Alarm nicht wirklich erleben.“
Anschließend nutzen die Feuerwehrleute noch die Gelegenheit, das Krankenhaus durch eine Ortsbegehung näher kennen zu lernen. Und als sie beim Abbau ihrer Geräte einen richtigen Fluss auf die Straße spülen, gerät ihr Einsatz auch noch zum furiosen Finale des Kindergeburtstages gleich gegenüber. „Kommt mal alle her!“, ruft die gerade Zehn gewordene Jessica ihre jungen Gäste zusammen. Dieses erfrischende Fußbad lassen sie sich natürlich nicht entgehen.