„Sehen wir in unseren Mitmenschen nur das Gute, das sie tun.“ Maria Magdalena Postel
Der erste Eindruck, den wir von einem Menschen gewinnen, bleibt oft hängen. Ist uns jemand positiv begegnet, werden wir ihm beim nächsten Mal wohlwollend entgegen kommen, ist er uns allerdings negativ aufgefallen, hat er bei uns schlechte Karten.
Unser Umgang miteinander wird vielfach dadurch erschwert, dass wir einander in Schubladen einordnen. Und dann muss schon einiges passieren, bis wir bereit sind, unsere Erfahrungen durch neue Erlebnisse korrigieren zu lassen.
Mehrere Erfahrungen und Urteile in einschlägigen Situationen verfestigen sich zu Vorurteilen.
„Der/die handelt immer so.“
„Ich weiß doch, was ich davon erwarten bzw. nicht erwarten kann.“
Neuanfang oder neue Chance – Fehlanzeige!
Maria Magdalena hat offensichtlich für sich einen Weg gefunden, solchem Schubladendenken vorzubeugen und Vorurteile zu vermeiden. „Sehen wir an unseren Mitmenschen nur das Gute, das sie tun…“ Dabei ist sie gewiss nicht unkritisch gewesen gegenüber dem Verhalten anderer. Aber sie hat niemanden festgelegt auf einmal gezeigtes Denken, Reden und Tun.
Heute ist es wichtig, kritisch zu sein, jede Situation genau zu prüfen. Dabei verwechseln wir Kritik mit negativem Urteil. Kritisch sein heißt aber: unterscheiden können, fähig sein zu einem differenzierten Urteil. Das kann sowohl positiv als auch negativ sein.
So gesehen geht es im Umgang miteinander um die Gabe der Unterscheidung. Es kann durchaus sein, dass wir jemanden bei einer ersten Begegnung als überwiegend negativ erfahren. Aber das ist noch nicht alles, was wir von ihm erfahren können. Uns sind doch in der Regel die Hintergründe für sein Verhalten nicht bekannt.Vielleicht reagiert er ein anderes Mal ganz anders, weil es ihm selbst viel besser geht…
Maria Magdalena ist für ihre klare Einstellung den Mitmenschen gegenüber bei Jesus in die Schule gegangen. Immer wieder berichten die Evangelien, dass Jesus niemanden auf „gestern“ festlegt. Jede/r hat täglich die Chance, neu anzufangen. Zur Ehebrecherin z.B. sagt Jesus: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ (Joh 8,11) Er traut ihr damit zu, dass sie von jetzt an anders lebt,Vergangenes vergangen sein lässt.
Wenn wir einander eine neue Chance geben und uns nicht auf Gewesenes festlegen, geben wir uns zugleich die notwendige erste Hilfe, überhaupt einen Neuanfang zu wagen. Wenn keiner mir zutraut, anders, besser zu werden, dann traue ich auch mir selber nicht zu, aus meiner negativ belasteten Vergangenheit aussteigen zu können.
Jemand hat einmal gesagt: „Der Mensch wird wesentlich das, was wir von ihm erhoffen.“ Das heißt: Meine Hoffnung für meine Mitmenschen ist das Startkapital, das sie brauchen, um Selbstvertrauen zu gewinnen und einen neuen Weg einzuschlagen. Natürlich gilt entsprechend auch die Umkehrung: Wenn ich von anderen nichts Gutes mehr erhoffe, weil sie einmal versagt haben, dann kann ihnen damit der Weg in eine positivere Zukunft versperrt werden. (Nur wenige werden sagen: Dem/der zeige ich jetzt, was ich trotzdem kann.)
Wer grundsätzlich die Perspektive einnimmt, das Gute am anderen zu sehen, eröffnet dem/der anderen ungeahnte Chancen. Vielleicht hilft mir auch die Erinnerung an Menschen, die mir im Leben weitergeholfen haben, weil sie an mich glaubten – trotz meiner Schwächen und Fehler.
Worte für Heute, Teil 5/10
Auf der Höhe der Zeit sein, das ist heute eine wichtige Maxime. Man muss die neuesten Trends kennen, gut informiert sein in vielerlei Hinsicht, um mitreden zu können. Da ist es verständlich, wenn Worte aus vergangenen Zeiten schnell als veraltet abgetan werden.
Schaut man jedoch genauer hin, so entdeckt man die bleibende Bedeutung, ja ein Stück Weisheit in Aussagen aus früheren Zeiten. Jede Zeit prägt die Ansichten, Lebensperspektiven und Grundsätze ihrer Generation.
Aber in allem Wandel gibt es Bleibendes.
Das 200jährige Bestehen der Gemeinschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (1807 – 2007) war für Schwester Maria Andrea Stratmann Anlass, Worte und Gedanken, die uns von der hl. Maria Magdalena Postel erhalten sind, neu zu bedenken. Sie sind vielfach eine Aktualisierung biblischer Aussagen für ihre Zeit. Uns kann das ermutigen, Gottes Wort für unsere Zeit neu zu entdecken und umzusetzen. Maria Magdalenas Überlegungen können uns dabei Hilfe sein.