Remblinghausen. „Natürlich können Sie sich alle benehmen“, beruhigt Ingrid Muhr-Hellmann die neun Kursteilnehmerinnen im Hotel Donner. „Aber es gibt Regeln für Zuhause und für das Geschäftsleben und es gibt Unterschiede, die man kennen sollte.“
Für acht Schülerinnen des Berufskollegs Bergkloster Bestwig endet in diesem Jahr die zweijährige Berufsfachschule für Ernährung und Hauswirtschaft. Die Suche nach einem Arbeitsplatz rückt näher und auch die nicht selten gefürchteten Vorstellungsgespräche. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin, Elisabeth Hamm, haben sich die jungen Frauen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren für einen Benimmkurs bei Ingrid Muhr-Hellmann angemeldet. Die ist ausgebildete Trainerin für Umgangsformen und Kursleiterin am IHK-Bildungsinstitut in Soest.
Das Interesse an guten Umgangsformen ist groß – vor allem bei den Firmen. „Die Unternehmen sagen heute: ‚Leistung können wir den Leuten beibringen, Benehmen aber nicht'“, berichtet Muhr-Hellmann aus ihrer Praxis. Sobald gute Schulnoten und andere Qualifikationen die erhoffte Einladung zu einem Vorstellungsgespräch gebracht haben, sind sie schon nicht mehr so wichtig. „Das Wie wird besser erinnert als das Was – auch beim Vorstellungsgespräch“, mahnt die Trainerin. Mit anderen Worten: Der erste Eindruck zählt – und der zweite und der dritte…
Eine besonders schlechte Nachricht hat Muhr-Hellmann für Frauen: Privilegien gibt es nicht mehr. „Heute stehen Frauen zur Begrüßung auf und machen auch sonst alles, was die Männer tun müssen. Schließlich wollen wir ja auch genau so bezahlt werden.“ Die Unsicherheit, was man tun oder lassen muss, ist auf beiden Seiten groß. Wer grüßt wen zuerst? Wer reicht die Hand? Wie komme ich an ein volles Glas und wann darf ich endlich trinken? Wie fange ich ein Gespräch an und über was soll ich reden? „Viele Geschäftsleute“, sagt die Trainerin, „wissen das nicht.“ Das Geschäft mit dem guten Benehmen blüht.
Auf dem Programm an diesem Freitagnachmittag in Remblinghausen steht auch ein gemeinsames Essen. Nichts, was viel Übung und chirurgische Fähigkeiten verlangt wie Schalentiere oder Scholle, sondern ein kleines Menü mit einem einfachen Schnitzel mit Pommes. Das Menü ist auch schon die erste eindringliche Lektion für den Kern des guten Benehmens: Der Gast, Kunde, potenzielle Chef ist König. Seine Bedürfnisse und Vorlieben sind unbedingt zu beachten. Auch beim Essen. Das wird Teilnehmerin Ellen nicht schmecken. Die Vegetarierin bekommt ein Schnitzel beim besten Willen nicht herunter und die doppelte Rinderkraftbrühe mit Markklößchen, die es als Vorspeise gibt, macht die Sache für sie nicht leichter. Aber Ellen kennt das schon. Sie weiß, was zu tun ist, wenn der Gastgeber nicht daran denkt, sie zu fragen, ob der Menü-Vorschlag nach ihrem Geschmack ist, oder ob sie lieber etwas anderes haben möchte. „Dann esse ich eben drumrum“.
Wie sitzt man bei Tisch, wohin gehören die Hände, darf man Kartoffeln zerquetschen, dürfen Linkshänder ihr Gedeck andersherum sortieren, wohin gehört die Serviette und was passiert, wenn sie auf den Boden fällt? Was die Zahl der Unsicherheiten angeht, gleicht ein gedeckter Tisch für viele einem Minenfeld. Ähnlich gefährlich ist bei machen Menschen der Umgang mit dem Besteck.
Wie man Messer und Gabel zu halten hat, erklärt Ingrid Muhr-Hellmann auch. „Ich kann das nicht, ich habe so keine Kraft“, heißt es da von einer Teilnehmerin, die ihr Schnitzel lieber mit der Gabel erdolcht. „Sagen Sie nie: ‚Ich mache das immer so'“, mahnt die Trainerin und meint damit nicht nur die Handhabung des Bestecks. „Seien Sie offen für andere Methoden und versuchen Sie es einfach – immer wieder.“ Viele Bewerber, weiß Muhl-Hellmann, sagen schnell: „Ich will mich nicht verbiegen.“ Die Antwort der potenziellen Arbeitgeber laute in einem solchen Fall immer gleich: „Wir auch nicht.“