Seniorenheime und ambulante Dienste stellen Verpflegungskonzept um: Das Essen wird nun direkt in den Wohnbereichen und in den Autos endgegart.
Das neue „Cook and Chill“-Konzept bei der Mittagsversorgung in den Einrichtungen und Diensten der Seniorenhilfe SMMP findet bei den Bewohnerinnen, Bewohnern und Kunden gute Resonanz. Die Idee: Das Essen kommt frisch gegart auf den Tisch. Dabei stehen die Regenerieröfen direkt in den dezentralen Wohn-Ess-Bereichen der Seniorenheime. Und sie sind auch in die Autos der Menüdienste eingebaut. Obendrein sind die Mahlzeiten durch den zentralen Zulieferer vielseitiger und die Produktion nachhaltiger.
Slobodan Milovic hat es sich gerade auf einer gepolsterten Sitzbank in einem der neuen Wohn-Ess-Bereiche des Hauses Maria Regina in Wadersloh-Diestedde gemütlich gemacht. Heute gibt es Cordon Bleu mit Petersilienkartoffeln und Erbsengemüse. Er hält den Daumen hoch und sagt: „Das Essen schmeckt prima. Es ist heiß und lecker, wirklich gut.“
Auf die Qualität achten die Bewohnerinnen und Bewohner ebenso wie die Mitarbeiterinnen des Hauses in diesen Wochen ganz besonders. Denn anders als bisher kommt das Essen ja jetzt nicht mehr aus der eigenen Küche. Das gilt genauso für die Seniorenheime in Geseke und Heiden. Und die Küche in Diestedde hatte bisher auch das Haus St. Josef in Wadersloh und das Seniorenzentrum Am Eichendorffpark in Stromberg mitbeliefert.
In Diestedde ist Service-Mitarbeiterin Michelle Knatz, die die Mahlzeiten portioniert und in den Wohnbereichen ausgibt, sehr zufrieden: „Das Essen ist heiß, es duftet gut und sieht frisch aus. Die Erbsen müssen zum Beispiel schön grün sein, und das sind sie auch. Und die Saucen sind immer richtig lecker.“
Von eigener Großküche abgesehen
Dabei sollte das Haus Maria Regina im Zuge des bis 2024 laufenden Umbaus zunächst eine neue Großküche bekommen, die die benachbarten Standorte in Wadersloh und Stromberg weiterhin mitversorgt. Doch im Wesentlichen sind es drei Entwicklungen, die zu einer Neuorientierung führten: die enorm gestiegenen Energie-Kosten für den Betrieb, deutlich höhere Investitionskosten und schließlich die erhebliche Teuerung bei den Einkaufspreisen für Lebensmittel. Die Ursachen liegen vor allem im Ukraine-Krieg, der daraufhin neu ausgerichteten Energie-Politik und einsetzenden Inflation.
„Wer hätte das vor einigen Jahren ahnen können?“, fragt Stephan Schink, Geschäftsführer der SMMP Servicedienste: Während der Corona-Pandemie habe sich zudem der Arbeitsmarkt neu sortiert – und der Fachkräftemangel habe sich infolge der vorübergehenden Schließung vieler Küchen in diesem Bereich enorm verstärkt.
„Das alles zusammen macht eigene Küchen für kleinere Betreiber wie uns auf lange Sicht unrentabel“, erläutert Frank Pfeffer, Geschäftsführer der Seniorenhilfe SMMP. Mit den Kosten stehe man aber besonders beim Mobilen Menüservice, wie er etwa vom Haus St. Josef in Wadersloh betrieben wird, in einem harten Wettbewerb. Und auch in den Seniorenheimen könne man diese Anhebung nicht einfach auf die Bewohnerinnen und Bewohner umlegen. Umgekehrt suchte man Möglichkeiten, in Zukunft auch größere Nachfragen – etwa für neue Menüdienste – zu bedienen.
700 Mittagsmenüs
So machte die Not erfinderisch. Für die 700 warmen Mittagsmahlzeiten, die die SMMP-Einrichtungen täglich benötigen, hat man nun den Partner „A&K Die frische Küche“ in Recklinghausen gefunden. Aufgrund seiner Größe kann A&K eine viel größere Auswahl an Menüs anbieten. Und mit dem Cook and Chill-Verfahren kommt das Essen nicht einfach aufgewärmt, sondern frisch auf den Tisch.
„Cook and Chill bedeutet, dass das Essen beim Kochen nur bis zu maximal 80 gegart wird, dann auf drei Grad herabgekühlt und erst nach der Auslieferung – oder bei ambulanten Menüservice während der Auslieferung – in den Regenerier-Öfen endgegart wird. Das schmeckt dann wie gerade gekocht und behält zudem mehr Nährstoffe“, hat sich Stephan Schink überzeugt. „Und zu guter Letzt“, so fügt er hinzu, „ist A&K auch beim Thema Nachhaltigkeit ganz vorne dabei. Daher ist dieser Dienstleister ein Anbieter, der gut zu uns passt.“
Trotz der Anlieferung aus Recklinghausen ist die Herstellung nun energie-effizienter und produziert weniger Abfälle. Wer sich davon überzeugen will, findet bei Christian Metzmacher, dem Geschäftsführer von A&K, offene Türen. 120 Menschen arbeiten hier, und wie es im Ruhrgebiet üblich ist: aus vielen Nationen.
Wasser wird mehrfach genutzt
Metzmacher kennt die Situation kleiner Küchen in Krankenhäusern und Seniorenheimen. Er hat es selbst oft genug gesehen: „Wenn da ein Zentner Nudeln gekocht wird, landen anschließend 100 Liter heißes Wasser im Ausguss.“ Bei A&K hingegen durchläuft jeder Liter mehrmals einen Kreislauf. Erst wird das Wasser zum Kochen benutzt, dann für die Kühlung, für die Spülmaschine oder zum Ausspritzen. Schließlich dreht es seine Bahn durch die Heizungsanlage. „Und bevor es dann mit 40 Grad ins Abwasser wandert, durchläuft es noch eine Gegenstromanlage, um das in einem Außenrohr entgegenkommende Wasser aus der Kühlung wieder aufzuwärmen“, erläutert der Geschäftsmann.
Noch ausgeklügelter geht A&K bei der Vermeidung von Nassabfällen vor. „Die haben wir durch unsere Teilnahme an dem Programm ‚United against waste‘ schon in den eigenen Küchen deutlich reduzieren können“, sagt Stephan Schink. Aber bei A&K werden sie fast vollständig vermieden. Und hier wird nicht nur viel Essen ausgeliefert. Einiges kommt trotz ausgewogener Portionierung wieder zurück. „Schließlich liefern wir täglich 21000 Mahlzeiten aus. Und über ein Drittel davon an die Ambulanten Menüdienste“, so Christian Metzmacher. Diese Nassabfälle werden in einer Wurmanlage kompostiert. Da es aber selbst die Regenwürmer nicht zu nass mögen, hat sich A&K ein besonderes Patent sichern lassen: „Einen Teil des Essens liefern wir in Einweg-Schalen aus. Diese kochfesten Schalen werden geschreddert und sind anschließend kompostierbar. So, wie es die Regenwürmer mögen, fügen wir diese Häcksel bei.“
Regionale Kartoffeln
Selbstverständlich gibt es auf dem Dach der Produktionshalle auch 2000 Quadratmeter Photovoltaik. Und vor dem Gebäude steht noch eine Biogas-Anlage. „Der gesamte Energiekreislauf wird streng überwacht. Wir merken hier sofort, wenn es irgendwo einen Defekt oder eine undichte Stelle gibt“, sagt Metzmacher.
Wichtig ist dem Unternehmen dabei auch, dass soviel wie möglich von regionalen Lieferanten kommt. „Beispielsweise haben wir einen Bauern im Münsterland, dem wir eine alte Sorte Kartoffeln abnehmen, die sich für das Cook and Chill-Verfahren besonders eignet“, erklärt er, und fügt gleich hinzu: „Daraus wird hier auch ebenfalls Kartoffelpüree gemacht. Pulver gibt es bei uns nicht.“ Im Kühlhaus nimmt er einen der Säcke in die Hand: „Hier: Sieht man nicht, wie schön gelb diese Kartoffeln sind? So schmecken die auch.“
Darüber hinaus produziert A&K soviel wie möglich selbst: Fonds, Saucen, Gewürzmischungen. „Kleine Küchen können das nicht“, weiß der Geschäftsführer. Auf diese Weise aber käme das A&K-Essen fast vollständig ohne Glutamate, Hefeextrakte und Maltodextrine aus. Und wenn Artischocken oder Blumenkohl doch vorverarbeitet in Säcken angeliefert werden müssen, so wachsen all diese Pflanzen auch in einem Gemüsebeet auf der Südseite der Halle. Berauscht von der nahen Autobahn A2 blühen hier Kräuter, leuchten Tomaten und duftet Lavendel. „Unsere Leute sollen einfach sehen, wie so etwas wächst“, betont der Familienvater – „sie sollen respektvoll mit Lebensmitteln umgehen.“
„Ein Partner, der passt“
Respektvoll und kreativ geht das Unternehmen ebenfalls mit seinen Mitarbeitern um. „Zum Beispiel haben wir einige rumänische Familien, denen wir auf dem Grundstück gegenüber Werkswohnungen zur Verfügung stellen. Als wir gemerkt haben, dass die Firma, die unsere Kittel täglich auskocht und reinigt, die ganze Ware auf einmal über Nacht nach Frankfurt hin und zurückfährt, haben wir nach einer eigenen Lösung gesucht – und gegenüber gefunden.“ Nun arbeiten einige Frauen für das Unternehmen, deren Männer hier schon beschäftigt waren und aufgrund ihrer kleinen Kinder nicht lange aus dem Haus können. „Wir haben ihnen dort eine Waschanlage gebaut. So bleiben sie bei der Familie, verdienen selbst dazu. Die Kittel sind sauberer als vorher. Und wir binden unsere Mitarbeiter“. Drei Fliegen mit einer Kappe – solche Lösungen freuen den Geschäftsführer besonders.
Und die finden auch Anerkennung bei den Geschäftsführern der SMMP-Einrichtungen und Dienste. „Wägt man alles Für und Wider gegeneinander ab, ist die Produktion des Essens trotz des Transportweges ökologischer als vorher“, ist Stephan Schink überzeugt – wenngleich es ihm um die 20 in diesem Frühjahr gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leidtut. Ein Großteil konnte immerhin mit neuen Aufgaben bei den Servicediensten bleiben oder von der Seniorenhilfe SMMP übernommen werden.
Auch für Frank Pfeffer war die Entscheidung für das Cook and Chill-Verfahren richtig: „Das gibt uns langfristig Planungssicherheit für unsere Einrichtungen und Dienste, die immerhin rund 1000 ältere Menschen stationär oder ambulant betreuen und fast ebenso viele beschäftigen.“