Schulen finden kreative Alternativen zu den sonst üblichen Abschlussfeiern
Schulleiterin Gabriele Sachse wird an der berufsbildenden Bergschule vor den Schulabgängern in diesem Jahr siebenmal eine Rede halten müssen. Sonst war es eine. Das Engelsburg-Gymnasium überträgt die Verabschiedung seiner Abiturienten in die Säle eines Multiplex-Kinos. Und nur an der Walburgisrealschule in Menden bleibt der Kreis der Abgänger klein genug, dass eine gemeinsame Feier mit Eltern in der Kirche möglich ist. Die Corona-Pandemie stellt die Schulen bei der Verabschiedung ihrer Abgangsklassen vor große Herausforderungen.
Am Walburgisgymnasium in Menden feiern die Abiturienten üblicherweise mit ihren Familien und dem gesamten Lehrerkollegium im Begegnungszentrum Wilhelmshöhe. Da kommen schnell 400 Menschen zusammen“, weiß Schulleiter Dr. Eduard Maler. In diesem Jahr aber ist alles anders. Abstandsregeln und Hygienevorschriften machen solche Menschenansammlungen auf engem Raum nicht möglich. „Und trotzdem wollten unsere 93 Abgängerinnen und Abgänger, dass die Eltern an dem Abschluss teilnehmen können. Also haben wir nach einer Lösung gesucht – und sie gefunden“, berichtet der Schulleiter.
Walburgisgymnasium schafft Platz für 140 Fahrzeuge
Diesmal findet die Abschlussfeier am 26. Juni im Autokino des Sauerlandparks in Hemer statt. „Das bietet Platz für 140 Fahrzeuge. Somit kann jede Abiturientin und jeder Abiturient seine Familie mitnehmen“, erläutert Dr. Maler. Auf der Bühne darf dort sogar die Soulband live auftreten. Und wie die Musik werden auch die Reden über eine Radiofrequenz bequem ins Auto übertragen. „Wem meine Ansprache zu langweilig ist, kann auch ganz einfach den Sender wechseln“, scherzt der Schulleiter, für den diese Abiturentlassung die letzte – und noch einmal eine ganz besondere – sein wird. Denn im kommenden Jahr geht er in den Ruhestand.
Die Schulleitung hofft, für ihre Abgänger damit eine gute Lösung gefunden zu haben. „Die Abiturienten mussten in diesem Jahr schon auf ihren Mottotag, den Abisturm und auch ihren Abiball verzichten. Dann soll wenigstens die Zeugnisübergabe in einem feierlichen Rahmen stattfinden.“
Dabei sei die Übergabe die eigentliche Herausforderung. „Wir grübeln noch darüber, wie die Zeugnisse zu den Abiturienten in die Autos kommen. Denn sie dürfen ihre Fahrzeuge ja nicht verlassen“, weiß Dr. Maler. Marcus Köchling, Leiter der Walburgisrealschule in Menden, hätte da schon eine Idee: „Wir haben doch jetzt gute Kontakte nach Rom. Vielleicht kann er sich ja das Papamobil ausleihen und durch die Reihen fahren.“ Aber ganz ernst gemeint ist das wohl nicht.
Realschule: „Corona kann uns nicht stoppen“
Die Realschule hat es mit ihren Planungen einfacher: „Wir sind einzügig. Unsere Abgangsklasse zählt 28 Schülerinnen und Schüler. Für sie und ihre Eltern haben wir mit der Marienkirche in Menden einen Ort gefunden, der sowohl für den Gottesdienst, als auch die anschließende die Zeugnisübergabe ausreichend Platz bietet“, so Marcus Köchling. Das passt zu dem Motto, das sich die Abgängerinnen und Abgänger für ihre Feier gegeben haben: „Selbst Corona kann uns nicht stoppen.“
Erleichtert gibt der Schulleiter zu: „Wir sind ja froh, dass wir bei der Entwicklung digitaler Unterrichtsformen einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Aber gerade bei einem Abschluss sind das persönliche Miteinander nicht zu ersetzen.“
Engelsburg-Gymnasium: Übertragung in mehrere Kinosäle
Das sagt man sich auch am Engelsburg-Gymnasium in Kassel, wo man die Abiturienten in ein Multiplex-Kino einladen will. Dort könnten sie ihre Zeugnisse persönlich entgegennehmen – während ihre Familien in den benachbarten Kinosälen die Übertragung sehen.
„Natürlich wäre das anders als sonst. Vor allem fehlen der Gottesdienst, die Livemusik unseres Schulorchesters und der anschließende Sektempfang“ weiß Schulleiter Thorsten Prinz. Die Gespräche bei diesen Begegnungen seien immer ein wichtiges Element. Sie werden dieses Jahr fehlen. Aber immerhin könnte so zumindest eine größere Zahl von Gästen dem Ereignis beiwohnen.
Für den größten Kinosaal des Betreibers gebe es ein Hygienekonzept für bis zu 200 Besucher. „Das reicht für unsere 113 Abiturienten, die Tutoren und Ehrengäste“, sagt der Schulleiter. Darüber hinaus würden je nach Anmeldungen weitere Kinosäle angemietet, wohin die Übergabe der Zeugnisse und die Reden übertragen werden. Auch sollen alle Abgängerinnen und Abgänger wieder ein Tonkreuz erhalten. Früher hatte die der Schwesternkonvent an der Schule selbst hergestellt. Seitdem es den nicht mehr gibt, hat das Lehrerkollegium diese Tradition übernommen.
Bergschule Heiligenstadt: Sieben Feiern – sieben Reden
Noch komplizierter wird es an den vier Berufskollegs der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel. Sie entlassen Jahr für Jahr jeweils über 200 Absolventinnen und Absolventen. An der katholischen Berufsbildenden Schule St. Elisabeth in Heiligenstadt, am Placida Viel-Berufskolleg in Menden und am Berufskolleg Canisiusstift in Ahaus findet normalerweise eine große Feier für alle statt.
„In unserer Sporthalle haben wir dafür ja eigentlich ausreichend Raum“, erläutert die Schulleiterin der berufsbildenden Schule Bergschule St. Elisabeth, Gabriele Sachse. Und die große Feier mit allen Klassen sei ein schönes Zeichen für die Schulgemeinschaft. In diesem Sommer aber weicht die Schule auf den Martinssaal aus. „Dort verabschieden wir die sieben Bildungsgänge einzeln“, so die Schulleiterin. Immerhin gebe es dort auch ein schönes Außengelände, das sich einbeziehen ließe.
Durch den kleineren Rahmen sei die Gestaltung der Abschiedsfeier individueller als sonst: „Meine Rede werde ich siebenmal an die jeweiligen Bildungsgänge anpassen. Denn ich will nicht siebenmal dasselbe sagen“, so Gabriele Sachse. Gleichzeitig sei es wichtig darauf zu achten, dass nicht alles möglich ist: zum Beispiel Singen oder gemeinsames Musizieren: „Das wird nicht ganz einfach sein, denn ich weiß, wie kreativ unsere Schüler sind.“
Gabriele Sachse will die Möglichkeiten ausschöpfen, die die Bestimmungen zulassen. Aber sie will sie keinesfalls kreativ dehnen: „Wir haben hier einen Corona-Fall an unserer Schule gehabt. Und die Familie der Schülerin ist stark betroffen. Das brauchen wir nicht noch einmal.“ Außerdem verweist sie auf die jüngsten Infektionsherde in Göttingen. „Dort sind die Schulen mittlerweile wieder geschlossen. Und das ist nicht weit weg von hier. In unserer Schule kommen etwa 50 Schülerinnen und Schüler und mehrere Lehrer aus dem Landkreis Göttingen. Wir sollten also vorsichtig sein.“
Placida-Viel-Berufskolleg: Zeugnisübergabe an der Kanzel
Am Placida-Viel-Berufskolleg wird es drei Abschlussfeiern geben. „Dafür gehen wir in die Mendener Herz Jesu-Kirche“, freut sich Schulleiterin Gaby Petry. Die biete einen würdigen Rahmen. „Wir werden dort gemeinsam Gottesdienst feiern können und die Zeugnisse anschließend an der Kanzel übergeben.“ Einziger Nachteil: Die Eltern werden nicht dabei sein. „Noch vor ein paar Tagen sah es ja auch so aus, als würden das die Bestimmungen gar nicht zulassen. Dann hat sich unsere Schulministerin doch anders entschieden. Aber da war schon alles geplant.“
Berufskolleg Canisiusstift: Planung mit Schön- und Schlechtwetter-Variante
Am Berufskolleg Canisiusstift in Ahaus will man sich beide Möglichkeiten offen halten. Dort bleibt auch noch etwas Zeit. Denn die Übergabe der Zeugnisse wird dort erst am letzten Schultag, dem 26. Juni, stattfinden. „Bei uns hängt es davon ab, ob das Wetter mitspielt“, so die stellvertretende Schulleiterin Stefanie Bauer: „Wenn ja, planen wir im Park fünf kleine Feiern nacheinander, die etwa 45 Minuten dauern und an denen jeweils zwei Klassen teilnehmen. Dann könnten sogar die Eltern im Stehen dabei sein.“ Sei das Wetter dagegen schlecht, wolle man die Verabschiedung parallel in die Kapelle und in die Aula verlegen. „Dann geht es leider nur ohne Eltern.“ So der Planungsstand jetzt. Nähere Beschlüsse fasst die Schule in dieser Woche.
Berufskolleg Bergkloster Bestwig: Verzicht auf Enge im Treppenhaus
Am Berufskolleg Bergkloster Bestwig wird es sogar neun Abschlussfeiern in der Schulaula geben. Und auch dort verzichtet die Schule auf die Anwesenheit der Familien. Vielleicht seien die Abstandsregeln in der Sportaula für größere Gruppen sogar einzuhalten, grübelt Schulleiter Michael Roth – „aber dann müssten wir immer noch überlegen, wie wir eine Gruppe von vielleicht 70 oder 80 Personen mit sicheren Abständen durch das Treppenhaus schleusen. Das erscheint uns doch zu riskant.“ Die Aula der Bestwiger Schule befindet sich im zweiten Obergeschoss.
Und dennoch ist man zuversichtlich, ein gutes Konzept für die Abschlusstage erarbeitet zu haben: „Statt des sonst vorausgehenden Gottesdienstes in der Klosterkirche werden wir in der Aula gemeinsam eine kleine Andacht feiern und dann zur Zeugnisvergabe übergehen. Die ist so geplant, dass jeweils eine Schülerin oder ein Schüler pro Tisch nach vorne kommt und die Mappe für mehrere Absolventen entgegennimmt.“ Auf diese Weise wolle man Bewegungen im Raum minimieren.
Auch Video-Einspielungen der Schülergruppen seien natürlich möglich. Und die Musik müsse wohl ebenfalls „aus der Konserve“ kommen, sagt der Schulleiter – „aber ich bin sicher, dass das vorab eingesungene Segenslied unserer beiden Musiklehrerinnen auch dann sehr zu Herzen geht.“