Schulen geben wieder Präsenz-Unterricht in kleinen Gruppen – allerdings unter außergewöhnlichen Bedingungen
Allmählich weiten die Berufskollegs und Gymnasien der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel ihren Präsenz-Unterricht weiter aus. Am Donnerstag gaben die Schulministerien dazu neue Regelungen bekannt. „Die Normalität ist noch ganz weit weg. Und trotzdem sind wir froh, dass wieder Schülerinnen und Schüler zu uns kommen“, sagt beispielweise Gaby Petry, die Leiterin des Placida-Viel-Berufskollegs in Menden.
Mit den Räumen wird es dabei schnell eng: „Denn jetzt finden für viele Klassen die Abschlussprüfungen statt. Und wenn die alle kommen und wegen der Abstandsregeln auf zwei oder sogar drei Räume aufgeteilt werden müssen, sind die Kapazitäten fast schon ausgeschöpft“, erklärt Gaby Petry. Entlastung gebe es erst nach Pfingsten, wenn die Abschlussklassen der Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpflegerinnen und -pfleger sowie die Absolventen des beruflichen Gymnasiums die Schule verlassen. „Aber dann sind es auch nur noch vier Wochen bis zu den Sommerferien“, so die Schulleiterin.
Neben den Abschlussklassen versucht man als erstes die Zwölfer-Klassen der beruflichen Gymnasien wieder in den Präsenz-Unterricht zu holen. „Dabei wird es am Anfang A- und B-Wochen geben. Denn sie können wegen der Raumnot nur abwechselnd kommen“, so Gaby Petry. Nach Pfingsten sollen die Ausbildungsjahrgänge folgen, die 2021 ihren Abschluss machen. So werden die Schülerinnen und Schüler stufenweise wieder in den Präsenzunterricht zurückgeholt.
Vom Prinzip her läuft das auch an den anderen Berufskollegs und den Gymnasien ähnlich ab.
Freiwilliges Lernangebot für Abiturienten
Am Walburgisgymnasium gab es zunächst ein freiwilliges Lernangebot and der Schule für die diesjährigen Abiturienten. „Nachdem unser Jahrgang Q2 dieses Angebot wahrgenommen und beendet hat, ist wieder Platz an der Schule frei geworden. Unsere Schulleitung hat sich zusammengesetzt und nach den Vorgaben des NRW-Bildungsministeriums beratschlagt, wie der Unterricht in den kommenden Wochen wieder vorsichtig aufgenommen werden kann“, heißt es heute auf der Internetseite der Schule. Vorrang haben ab der kommenden Woche zunächst die Jahrgänge Q1 und die Klasse 9R der Realschule. Das sind die Schülerinnen und Schüler, die im nächsten Jahr vor ihrem Abschluss stehen: Der Fachoberschulreife oder dem Abitur.
Am Engelsburg-Gymnasium in Kassel sind die Abiturprüfungen schon im Wesentlichen geschafft. In Hessen waren die früher angesetzt als in Nordrhein-Westfalen. Jetzt geht es auch dort stufenweise wieder mit dem Präsentunterricht für die anderen Jahrgänge los.
Die Vorbereitungen sind an beiden Gymnasien getroffen: Flure dürfen nur in einer Richtung begangen werden, Ein- und Ausgänge befinden sich an gegenüberliegenden Gebäudeseiten, Tische und Stühle sind in den Klassenräumen nach Abstandsregel gestellt, Desinfektionsmittelspender installiert.
Grüne Pfeile weisen den Weg
Im Berufskolleg Canisiusstift in Ahaus weisen schon seit zwei Wochen grüne Pfeile den Weg durch das Gebäude. Wer die Schule betritt, desinfiziert sich unter einem Spender am Eingang erst einmal die Hände. Und in den Klassenräumen sitzen die Prüflinge und bald wieder zu beschulenden Schüler im Sicherheitsabstand weit genug auseinander. „Dabei sind die Klassengruppen so geteilt, dass wir nun im Ausnahmezustand plötzlich die Klassengrößen vor uns sehen, die wir uns als Pädagogen seit Jahren wünschen“, beschreibt Schulseelsorger Thomas Bittner die Situation.
Er stellt fest, dass die Schülerinnen und Schüler dankbar sind, wieder in die Schule gehen zu dürfen: „Auch die Kolleginnen und Kollegen, die nicht wegen Alters oder anderer Risikofaktoren zu Hause bleiben müssen, freuen sich wieder mit ‚echten‘ Menschen arbeiten zu können und mit den Schülern nicht nur über den Computer kommunizieren zu müssen.“
Sehnsucht nach Normalität
Insgesamt hat der Einstieg mit den Prüflingen nach den Osterferien an allen Schulen recht reibungslos geklappt. „Schüler und Eltern sind sehr geduldig. Alle lesen unsere Bekanntmachungen und halten sich daran. Das ist schon beachtlich, aber sicher auch der Sehnsucht nach einer baldigen Rückkehr der Normalität geschuldet“, sagt Gaby Petry.
Abschlussfeiern wird es hingegen an keiner Schule im gewohnten Umfang geben. Und auch das ERASMUS-Programm fällt komplett aus. Über 200 Auszubildende aus dem Berufskolleg Bergkloster Bestwig, dem Placida Viel-Berufskolleg in Menden, dem Berufskolleg Canisiusstift in Ahaus und der berufsbildenden Schule Bergschule St. Elisabeth in Heiligenstadt hätten darüber im April und Mai ein vierwöchiges Praktikum im europäischen Ausland absolviert.
Auf der Internetseite der Bergschule schreibt Schülerin Patricia Keim: „Ein Auslandspraktikum während meiner Ausbildung! Davon hatte ich lange Zeit schon geträumt. Eine Mitschülerin und ich planten, unser achtwöchiges Projektpraktikum im Mai und Juni in Wien zu absolvieren. (…) Euphorie und Vorfreude waren grenzenlos.“ Doch daraus wurde nichts. „Gern hätten wir unser erlerntes theoretisches Wissen in der Praxis dort angewendet und die Erfahrungen aus Wien mitgenommen. Aber jetzt heißt es erstmal weiter für uns ‚Homeschooling‘.“
Wichtige Erfahrungen mit Homeschooling
Mit Homeschooling mussten auch die Pflegeschule der Gesundheitsakademie SMMP und die Bildungsakademie für Therapieberufe in Bestwig während der vergangenen Wochen Erfahrungen sammeln. Hier kehren allmählich einzelne Kurse wieder in den Schulalltag zurück. „Bei uns sind es zunächst einmal die 22 neuen Pflegeschülerinnen und -schüler“, erklärt der Leiter der Gesundheitsakademie, Edis Ahmetspahic. Natürlich unter besonderen Bedingungen: Mit Schutzmaske und Sicherheitsabstand.
Dabei hat der nun etablierte Unterricht über Online-Plattformen an vielen Schulen auch große Fortschritte gebracht.
Thomas Bittner etwa schreibt: „Für uns als Schule sehe ich bei aller Anstrengung, bei aller Arbeit, bei aller Außergewöhnlichkeit des Arbeitens nun eine große Chance. Wenn es uns gelingt, nachdem wir die Laufrichtung wieder ändern dürfen, die neuen Freiheiten zu nutzen, kann aus den Einschränkungen dieser Tage ein Gewinn für uns Alle entstehen. Vielleicht hilft es uns, nicht wieder in den Trott des Alten zurückzugehen. Vielleicht nutzen wir die in diesen Tagen eingeübte digitale Kommunikation und andere Formen der Digitalisierung für neue Formen des Zusammenarbeitens mit den Schülern und untereinander. Vielleicht sind wir dankbarer für direkte Gespräche und nutzen diese Möglichkeit bewusster aus.“
Gaby Petry plant am Placida Viel-Berufskolleg sogar eine Schülerumfrage: „Wir wollen wissen, wie die Schülerinnen und Schüler mit dem Online-Unterricht klargekommen sind, was sie gut fanden und ob sie dafür überhaupt ausreichend ausgestattet waren. Auf dieser Basis wollen wir dann an Konzepten für diese Unterrichtsformen weiterarbeiten.“
Denn das scheint festzustehen: Home-Schooling und Online-Unterricht sind aus den Schulen der Zukunft nicht mehr wegzudenken. Ob in Corona-Zeiten oder nicht.