Im Projekt ALiVE gehen die Katholischen Kliniken Lahn neue Wege
An der Hufeland-Klinik Bad Ems und dem Marienkrankenhaus Nassau haben von nun an nicht nur die Chefärzte und die Betriebsleitung ein Sekretariat – sondern auch die Beschäftigten aus Pflege, Verwaltung, Küche, Reinigung und Technik. Das in der deutschen Krankenhauslandschaft möglicherweise erste „Mitarbeitersekretariat“ sorgt sich nicht nur um die Wünsche und Anregungen der 300 Angestellten. Es begleitet ihre Einarbeitung, vermittelt Hilfe beim Umzug, stellt ein Auto bereit und nimmt den oft im Schichtdienst tätigen Arbeitskräften sogar die Bügelwäsche ab.
„Dadurch hoffen wir nicht nur neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfacher gewinnen zu können, sondern auch, dass diejenigen, die bei uns sind, noch lieber bleiben“, sagt die Geschäftsführerin der Katholischen Kliniken Lahn, Schwester Johanna Guthoff. Dass die beiden Kliniken in Trägerschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel christliche Häuser sind, müsse sich nicht nur im Umgang mit den Patienten, sondern ebenso mit den eigenen Beschäftigten zeigen. Eine Einrichtung wie das Mitarbeitersekretariat sei daher vor allem als Anerkennung und Wertschätzung ihrer wichtigen Arbeit zu sehen.
Dass man im Bereich der Gesundheitshilfe neue Wege gehen müsse, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und zu halten, stehe angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels auf der einen und der zunehmenden Pflegebedürftigkeit einer alternden Bevölkerung auf der anderen Seite außer Frage, weiß Schwester Johanna. Gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft bh.m aus Herten habe man daher das Projekt „ALiVE“ ins Leben gerufen. ALiVE soll neues Leben ins Krankenhaus bringen, steht aber als Abkürzung zugleich für attraktive Lebens- und Arbeitssituationen in Verbindung mit Entwicklungsmöglichkeiten.
Ansatz in der Lebenssituation
„Neu daran ist, dass wir an der Lebenssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansetzen, um für eine bessere Life-Work-Balance zu sorgen“, sagt Bernd Mühlbauer, Gesellschafter der Unternehmensberatung und Professor für Management im Gesundheitswesen im Fachbereich Wirtschaft an der Westfälischen Hochschule. Gleichzeitig wird der Erfolg des Projektes durch regelmäßige Befragungen der Angestellten durch die Ludwig-Maximilians-Universität München evaluiert.
„Diese Befragungen zeigen, dass die Mitarbeiterschaft eine hohe emotionale Bindung an den Träger und die beiden Krankenhäuser hat. Die Wechselbereitschaft ist relativ gering“, freut sich Schwester Johanna. Und Professor Mühlbauer ergänzt: „Dieses Ergebnis ist ein gutes Fundament für personalwirtschaftliche Maßnahmen und gibt Anlass zu konkreten Handlungsempfehlungen.“
Das Mitarbeitersekretariat hat sich bereits etabliert. An wechselnden Tagen in beiden Kliniken tätig, nimmt Sarah Grams morgens bis zehn Uhr mehrere Einkaufslisten von Mitarbeitern entgegen: „Die geben wir dann an den REWE-Markt Pebler in Nassau weiter – und der liefert die Ware bis mittags an, so dass sie unsere Angestellten nach Feierabend mitnehmen können“, erklärt die Abiturientin aus Lahnstein, die im Frühjahr ein Studium der Rechtswissenschaften beginnt. „Bis dahin bin ich froh, hier an einer so zentralen Stelle im Krankenhaus eingebunden zu sein und erste Berufserfahrungen zu sammeln“, sagt die 18-Jährige, die mit ihrer offenen Art im Haus gut ankommt.
Auch die beiden neuen Leasingfahrzeuge würden gerne genutzt. Sie stehen Mitarbeitern beispielsweise zur Verfügung, wenn sie aus familiären Gründen gut für ein paar Tage ein zweites Fahrzeug gebrauchen können oder zu einer Fortbildung müssen. „Mit so einem fast fabrikneuen Auto ist jeder gern unterwegs“, meint Sarah Grams.
Bügelservice ausgeweitet
Und die Öffnungszeiten des Bügelservices wurden sogar schon ausgeweitet. Im rekordverdächtigen Tempo bügelt Diana Hahn im Untergeschoss des Marienkrankenhauses ganze Körbe weg. Die Mutter von zwei kleinen Kindern ist froh, hier eine Anstellung mit flexiblen Arbeitszeiten gefunden zu haben: „Zur Not kann ich die beiden auch mal mit hierher nehmen. Wo geht das schon?“ – „Eine klasse Sache“, findet der Leiter der pneumologischen Intensivstation, Hendrik van’t Hoff-Haas, als er gerade eine Stapel Kleidungsstücke bei Diana Hahn abholt.
Natürlich müssen diese geldwerten Dienstleistungen versteuert werden. „Das läuft für die Mitarbeiter, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, aber ganz bequem über die Gehaltsabrechnung, sodass niemand bei der Ausleihe des Fahrzeuges oder dem Abholen der Wäsche sein Portemonnaie öffnen muss“, erläutert Professor Mühlbauer. Dabei gehe es pro Autofahrt oder Wäscheabgabe um kleine Beträge, die sich bei der Überweisung des Nettolohns kaum bemerkbar machten.
Und die Überlegungen für die Zukunft gehen noch weiter: „Die Kollegin aus dem Mitarbeitersekretariat kann neue Mitarbeiter durch das Haus führen, sie mit den wichtigsten Informationen versorgen und sie der Betriebsleitung vorstellen“, wirbt Personaldirektor Hans-Jürgen Herbener für eine neue Begrüßungskultur. Gleichzeitig solle sie neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen, eine Wohnung oder auch einen Arbeitsplatz für den Partner zu finden. „Da planen wir eine enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur“, erläutert Professor Bernd Mühlbauer.
Diskussion im Open Space
Dass die Meinung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den beiden Häusern der Katholischen Kliniken Lahn ernst genommen wird, erfuhren sie jetzt bei zwei sogenannten Open-Space-Veranstaltungen, in deren Rahmen sie sich zur neuen Organisationsstruktur des Krankenhauses, zu den geplanten Maßnahmen der Personalakquise oder zu der vorgesehenen Optimierung von Ablauforganisationen äußern durften. Dabei wurden auch die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung vorgestellt.
„Wir wollen, dass alle in diese Prozesse einbezogen werden“, sagt Hans-Jürgen Herbener. Er selbst ist Teil der neuen Organisationsstruktur. Denn im Frühjahr rückte er auf die neu geschaffene Position des Personaldirektors auf. Sie dient ebenfalls dazu, die Bedürfnisse der Mitarbeiterschaft stärker zu berücksichtigen.
„Ich fühle mich in dieser Rolle sehr wohl“, sagt Herbener. Und das tut er vor allem deshalb, weil er spürt, dass es dem gesamten Personal in Nassau und Bad Ems durch die eingeleiteten Maßnahmen besser geht. Insofern sei der eingeschlagene Prozess erfolgversprechend.
Schwester Johanna ist überzeugt: „Wirtschaftlich bleibt in der Gesundheitshilfe wenig Spielraum. Wir wissen, dass die Gehälter unserer meisten Mitarbeiter nicht üppig sind, auch wenn wir alle nach Tarif bezahlen. Und doch können wir viel durch ein gutes Miteinander gewinnen.“