Dr. Monika Rack will Schülern nicht nur Noten geben, sondern den ganzen Menschen sehen
Eins hat Dr. Monika Rack mit den meisten Kolleginnen und Kollegen am Engelsburg-Gymnasium gemein: Sie legt die Schülerinnen und Schüler ungern auf Noten fest. „Die sagen viel zu wenig aus. Und Manchmal denke ich sogar, wir sollten auch die Klassenarbeiten abschaffen.“ Das ist zwar nicht erlaubt – spiegelt aber das Denken an einer christlichen Schule.
Ihr Ziel: Unterricht im angstfreien Raum. Jeder soll sich mit seinen Sorgen und Problemen an die Lehrerin wenden können. Und sie möchte nicht nur die Leistung ihrer Schülerinnen und Schüler beurteilen, sondern den ganzen Menschen im Blick haben. Ihrer Ansicht nach gelingt das an einer christlich geprägten Schule besonders gut. Diesem Anspruch versuchen alle Schulen in Trägerschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel gerecht zu werden.
„Wenn einer einen Abi-Schnitt von 1,0 hat – ist das dann ein Hinweis darauf, dass einer ein guter Arzt wird? Oder sollte der vielleicht auch ein bisschen mit Menschen umgehen können?“, fragt die 43-Jährige provokativ. Sie hat selbst drei Kinder und beobachtet sie auf ihrem Weg durch die Schule. Dabei kommen ihr Zweifel, ob es im Bildungsbereich nicht viel zu oft darum geht, dass Schüler einfach einem System gerecht werden sollen.
Toleranz und Zugewandtheit
In ihrer eigenen Schulzeit hat sie viele engstirnige Lehrer erlebt. Und eine städtische Gesamtschule, die eher kommunistisch geprägt war: „So setzen sich wahrscheinlich überall Werte durch. Aber welche? An einer christlichen Schule kennt man die.“
Zum Beispiel Toleranz und Zugewandtheit. Die erfuhr sie, als sie in die Oberstufe des Engelsburg-Gymnasiums in Kassel kam: „Hier wurden unterschiedliche Lebensentwürfe akzeptiert. Auch katholisch zu sein war nichts Außergewöhnliches. In meiner evangelisch geprägten Heimat in Hessisch Lichtenau war das anders. Deshalb hat sich der Wechsel an die Engelsburg ein bisschen wie ‚nach Hause kommen‘ angefühlt.“ Erfahrungen, die Dr. Monika Rack bis heute prägen.
Die katholische Kirche hat sie nicht immer als sehr tolerant und besonders offen erlebt. In ihrer Jugend engagierte sie sich in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG), leitete Jugendgruppen und vertrat den Verband auf Diözesanebene. Wo sie in Arbeitsgruppen auf Bischof Johannes Dyba stieß, der erklärte: „In der Demokratie entscheidet die Mehrheit. In der Kirche die Wahrheit. Und die bin ich.“ Aber in ihrer Staatsarbeit zerlegte sie diese These. Und bekam eine Eins.
„Das ist es, was ich will“
Dass sie Religion neben Englisch und Mathematik auf Lehramt studierte, war dem Umstand geschuldet, dass es diese Kombination nur für das Staatsexamen gab. Sie wollte vor allem ihr Allgemeinwissen erweitern und dann Werbetexterin werden. „Doch als ich zum ersten Mal vor einer Klasse stand, dachte ich: Ja, das ist es, was ich machen will.“ Es war ihre Berufung. Die Promotion in Katholischer Theologie hätte ihr auch eine akademische Laufbahn eröffnet. Aber das war ihr zu theoretisch: „Da gibt es andere, die dafür geeigneter sind.“
Und so kam es, dass die damalige Leiterin des Gymnasiums, Schwester Maria Ignatia Langela, auf das online gestellte Bewerbungsprofil von Monika Rack aufmerksam wurde und sie zurück an die Engelsburg holte. „Das ist eine Power-Frau. Solche Leute brauchen wir an unseren Schulen“, erinnert sich die Ordensschwester. Natürlich fragte sich Monika Rack, ob es cool sei, zwischen den ehemaligen Lehrern zu unterrichten: „Andererseits wusste ich: An dieser Schule finde ich die Offenheit für eigene Ideen und den Wertegrund, die ich brauche.“
Sie nennt ein Beispiel: „Wenn ein Schüler mit seinen Noten absackt, fragen wir uns, was dahinter steckt.“ Das hat sie an anderen Schulen nicht immer so erlebt. „Auch kommt es uns sehr darauf an, dass sich die Schüler individuell entfalten können. Und das gelingt nur in einem angstfreien Raum.“ Zum Beispiel in religiöser Hinsicht, wofür man heute an anderen Schulen schon belächelt werde. Dafür will Monika Rack die Rahmenbedingungen gestalten. „Ob das Lernen dann wirklich gelingt, habe ich nicht immer in der Hand. Da denke ich manchmal auch: Das macht der Heilige Geist.“
Religion ist unter Schülern ein Thema
Sie ist überzeugt: Religion ist unter Jugendlichen ein Thema. Als sie ihre Klasse im vergangenen Schuljahr auf Erfahrungen mit dem Tod ansprach, haben manche Schüler geweint: „Das musste niemandem peinlich sein.“ Und als die stellvertretende Schulleiterin Schwester Elisabeth Morell 2013 plötzlich verstarb, war sie froh, dass es dafür an der Engelsburg eine Sprache, Rituale, Umgangsformen gibt. „Da wird nichts verdrängt. Ebenso wenig in anderen Krisensituationen: Etwa wenn ein Schüler einen schweren Unfall hat.“
Die Eltern nehmen diesen christlichen Anspruch immer wieder wahr. Auch in der Struktur der Schule, die seit 2013 wieder parallel ein G8- und ein G9-Abitur anbietet: „Dabei wollen wir den achtjährigen Weg nicht als Alternative für eine Elite verstehen, die ein Jahr schneller fertig werden will. Er soll eher denen nutzen, die ihr ‚gespartes‘ Jahr zum Beispiel in freiwilliges Engagement nach dem Abitur investieren wollen“, erläutert die Pädagogin. Das neunjährige Abitur richte sich dagegen an diejenigen, die während ihrer Schulzeit mehr Raum für soziales Engagement, ihren Sportverein oder ein Instrument haben wollen.
Schließlich gehe es im späteren Leben nicht nur um Leistung, sondern um soziale Kompetenz. Das will die Engelsburg vermitteln. Angstfrei. Und am liebsten ohne Klassenarbeiten. Aber das lassen auch die Gesetze in Hessen noch nicht zu.