Der Sozialdienst der Katholischen Kliniken Lahn zeigt den Patienten Lebensperspektiven auf
Ohne den Sozialdienst an der Hufeland-Klinik und am Marienkrankenhauses wüssten viele Patienten nicht, wie sie den Übergang zurück in den Alltag und ins Berufsleben organisieren. Drei Mitarbeiter kümmern sich an den beiden Häusern um diese Fragen. Eine Aufgabe, die angesichts kürzerer Verweildauern in den Krankenhäusern und intensiverer ambulanter Anschlussbehandlungen immer wichtiger wird.
Auf der Ecke des Schreibtisches von Achim Schneider liegt immer ein Päckchen Taschentücher bereit. Manchmal übermannt die Patienten hier auf einmal die Gewissheit, dass das Leben nicht so weitergeht wie bisher. „Dann haben wir zwei Möglichkeiten“, sagt der Diplom-Pädagoge seinen Gesprächspartnern: „Entweder wir sprechen über Ihre persönliche Lebenssituation oder das, weshalb Sie eigentlich hier sind.“
Das „Eigentliche“ sind Anträge: Anträge auf Hilfsmittel, auf Reha-Maßnahmen, an die Rentenversicherung und manchmal auch direkt an den Arbeitgeber. Anträge auf Umschulungen, betriebliche Umsetzungen, Weiterqualifizierung oder Wiedereingliederung. „Gerade jetzt, da für die beruflich-orientierte Rehabilitation bundesweit neue Konzepte erarbeitet werden, haben wir die Aufgabe, neue Wege aufzuzeigen“, sagt Achim Schneider.
Die Ressourcen nutzen
Er ist einer von drei Mitarbeitern des Sozialdienstes an der Hufeland-Klinik Bad Ems und dem Marienkrankenhaus in Nassau. Sie kümmern sich mit den Patienten vor allem um den Übergang vom Krankenhausaufenthalt bzw. nach der Rehabilitationsmaßnahme zurück in den Alltag. Und das mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Wenn es positiv läuft: zurück in das Berufsleben, in die eigene Wohnung. Wenn es keine andere Option gibt: in ein Heim oder in ein Hospiz. „Und dann kommt es darauf an, auch diesen Menschen klar zu machen, welche Ressourcen sie noch haben, was positiv bleibt, worauf sie sich stützen können.“ Etwa der Zusammenhalt der Familie, Erfahrungen und Erlebnisse, die einem keiner mehr nehmen kann.
Als Martin K. mit seinem Beatmungsgerät vor ihm sitzt, spricht Achim Schneider ihn auf sein T-Shirt an. Darauf steht groß Puerto Rico. „Waren Sie schon einmal dort?“ – „Nein, aber in Arizona. Ach, das war toll.“ Und dann beginnt der Patient zu schwärmen: „Die Natur da war überwältigend. Ich gucke mir immer noch die Videos von der Reise an. Jetzt kann ich so etwas ja nicht mehr machen…“ – „Ja“, nickt Achim Schneider – „aber diese Erlebnisse nimmt Ihnen niemand mehr weg.“
So versucht der Sozialpädagoge, der auch ausgebildeter Altenpfleger und systemischer Berater ist, negative Stimmungen in positive umzuwandeln: „Dafür sind wir durch unser Studium ausgebildet. Manchmal gibt es allerdings keine Lösung. Dann muss man auch das ganz offen sagen.“
Zusammenarbeit mit psychologischem Dienst
Wenn der 45-Jährige spürt, dass tiefer liegende Erschütterungen verarbeitet werden müssen, verweist er an den Psychologischen Dienst. „Ist der schon damit befasst, mische ich mich nicht ein. Aber auch die Gespräche, die hier stattfinden, sind oft eine Gratwanderung.“ Da geht es schon mal um HIV, um Drogenprobleme, um familiäre Krisen.
Im Akutbereich liegt der Schwerpunkt für den Sozialdienst im sogenannten Entlassmanagement. „Im Reha-Bereich der Hufeland-Klinik ist das aber ganz anders: Hier steht oft die berufliche Situation im Vordergrund“, erklärt Achim Schneider.
Ist die Rückkehr in den Beruf vorstellbar? Wie kann die ablaufen? Die behandelnde Station gibt dem Sozialdienst meist einen Auftragszettel mit, welche Option aus medizinischer Sicht zu prüfen sei. „Bei speziellen beruflichen Fragen vermitteln wir an Experten der Rentenversicherung, die auf Anfrage ins Haus kommen“, so der Sozialpädagoge.
Finanzielle Ängste
Natürlich gebe es da auch finanzielle Ängste: Zahlt die Rentenversicherung ein Übergangsgeld? Welche Verluste muss ich in Kauf nehmen, wenn ich jetzt in Rente gehe? „Die Rentenversicherung ist natürlich daran interessiert, dass der Patient wieder arbeitsfähig wird. Und vorrangig ist das auch unser Ziel. Aber wenn ein lungenkranker Dachdecker Ende 50 vor mir sitzt und nach 42 Jahren nicht mehr arbeiten kann, denken wir natürlich auch Alternativen durch“, sagt Achim Schneider.
„Ich achte sehr darauf, niemanden in eine Schublade zu stecken.“ Wichtig ist ihm, seinem Gegenüber Wertschätzung und Anerkennung zu zollen: „Die erfährt ein Dachdecker vielleicht nicht so oft. Aber wenn er mir sein Leid nach über vier Jahrzehnten harter Arbeit auf dem Dach klagt, verlangt mir das höchsten Respekt ab.“ Und dann merken auch die Patienten, dass sie hier ernst genommen werden. Wie Martin K. Er kam mit düsterer Miene. Als er das Büro verlässt, lächelt er. Vielleicht nur für ein paar Minuten. Aber er hat gespürt, dass Achim Schneider ihm zugehört hat. Und dass es weitergeht.