Fast hätte ich ihn vergessen, den kleinen Jonagold auf unserem Klostergelände. Im Sommer war er überwuchert vom Unkraut und grünem Dickicht. Man musste zweimal hinschauen, um ihn zu entdecken. Aber er hat die ersten Jahreszeiten in neuer Erde und an frischer Luft gut überstanden. Mittlerweile ist das Dickicht um den Apfelbaum gelichtet und er wirft seine ersten Blätter ab, klein, herbstgolden und noch ein wenig zögerlich, wie mir scheint.
Ein Jahr ist vergangen, unglaublich. Als Geschenk zur ersten Profess ist er hier angekommen, zusammen mit Erinnerungen an eine bewegende Pilgerfahrt in die Normandie. Der Apfelbaum erzählt Geschichte und am heutigen Tag, kurz vorm Mittagsläuten, laufe ich an ihm vorbei.
Ich spüre Dankbarkeit in mir aufsteigen. Vor lauter Unkraut hätte ich ihn fast vergessen, vielleicht auch vor lauter Hektik. Dabei hat er viel zu sagen, der Kleine. Er erzählt ja immer noch vom Größerwerden und Wachsenwollen, vom Wurzelnschlagen und Biegsambleiben.
Sr. Ruth Stengel