Beim 150. Geburtstag blickt die Einrichtung auf eine bewegte Geschichte zurück
Als Josef Boehlke den Bergkindergarten zwischen 1958 und 1960 besuchte, musste er noch zwischen ein paar Kühen hindurch, um in seine Gruppe zu kommen: „Zu DDR-Zeiten waren die Schwestern Selbstversorger. Da wurde viel improvisiert.“ Umso mehr beeindruckt ihn, was heute aus dem Bergkindergarten geworden ist: Ein modernes Haus mit elf Gruppen für 200 Kinder. Die größte Kindertagesstätte in Thüringen feierte am Samstag ihr 150-jähriges Bestehen.
Über 500 Gäste strömten zu dem Familienfest in den Kindergarten St. Bonifatius und das benachbarte Bergkloster. Darunter auch viele ehemalige Kindergartenkinder. Der Tag bildete den Abschluss einer ganzen Festwoche mit Veranstaltungen.
„Sich immer wieder weiterzuentwickeln, war stets das Motto des Bergkindergartens“, erklärte Schwester Theresia Raabe einer Gruppe bei einer Führung durch die drei Etagen. Sie leitet die Einrichtung seit 22 Jahren. „Hätten wir es nicht immer wieder verstanden, uns den Bedürfnissen anzupassen, wäre er immer noch eine Verwahranstalt.“
Ein Jahr nach dem Konvent gegründet
Als solche wurde der Bergkindergarten 1863, nur ein Jahr nach der Gründung des ersten deutschen Konventes der Schwestern der Armen Töchter von der Barmherzigkeit – wie die Gemeinschaft damals noch hieß – eröffnetet. Nur zur Zeit des Kulturkampfes und im Zweiten Weltkrieg war der Betrieb für insgesamt 21 Jahre unterbrochen.
„1984 hatte der Kindergarten schon einmal sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Da waren diese Jahre `rausgerechnet worden“, erläutert die Leiterin, warum man 29 Jahre später schon das 150-Jährige Jubiläum feiern kann.
Während der gesamten DDR-Zeit blieb der katholische Kindergarten geöffnet. „Die Schwestern hatten den Betrieb nach dem Krieg noch vor der Gründung der DDR wieder aufgenommen. Daher genoss sie Bestandschutz“, sagt Provinzoberin Schwester Pia Elisabeth Hellrung. 1952 besuchten die Tageseinrichtung sogar 360 Kinder.
Nie um den Kindergarten gezittert
Gezittert haben die Schwestern zu DDR-Zeiten um ihren Kindergarten nie. „Wohl aber darum, dass der Kontakt zu den Schwestern im Westen nach dem Bau der Mauer abreißen würde“, so Schwester Pia Elisabeth, die die bewegte Geschichte des Bergkindergartens schon bei einem Vortrag am Freitagabend in Erinnerung rief.
Erst nach der Einführung des sogenannten „Kleinen Grenzverkehrs“ Anfang der 70er Jahre über Kassel entspannte sich die Lage wieder.
Das war gleichsam ein Glücksfall für die Einrichtung: Denn von da an wurden die Erzieherinnen mit Ausbildungsmaterial aus der Bundesrepublik versorgt. Und deshalb gehörten sie – nachdem sie zu DDR-Zeiten nie eine anerkannte Ausbildung hatten – mit er Neugründung des Landes Thüringen nach der Deutschen Einheit zu den wenigen, die auf einmal staatlich anerkannt waren.
Montessori- und Projektarbeit
Heute arbeiten die Gruppen der Goldabteilung nach den pädagogischen Ideen Maria Montessoris. Dafür sind sie optimal ausgestattet. Die Blumenabteilung legt den Schwerpunkt auf die Projektarbeit, und die Sternenabteilung beherbergt die Kinder unter drei Jahren.
Am Samstag gab es Gelegenheit, sich die Räume anzusehen. Das tat auch Josef Boehlke, der neben dem Kloster wohnt, das er wie viele Heiligenstädter augenzwinkernd den „kleinen Vatikan“ nennt. Selbst seine Kinder haben die Einrichtung längst schon besucht: „Wenn man weiß, wie oft die Schwestern Rückschläge ertragen mussten, wie schwierig es zu Hitlers Zeiten und in der DDR war, diese Einrichtung weiterzuführen – dann kann man nur staunen, wie sich dieser Kindergarten bis heute entwickelt hat.“
Kinder gestalteten Gottesdienst mit
Der Festtag begann mit einem von Propst Hartmut Gremler zelebrierten Gottesdienst in der Turnhalle, den die Kinder und Erzieherinnen gestalteten. Caritas-Direktor Bruno Heller betonte in seiner Predigt: „Nicht nur die Rostbratwurst kommt aus Thüringen. Auch der Kindergarten ist zu einem Exportschlager geworden. Der Bergkindergarten ist das ideale Modell dafür.“
Anschließend waren Spiel und Spaß angesagt. Ob beim Kastenklettern oder beim Schminken, beim Tiermasken-Basteln oder beim Fußball. Viele Eltern halfen beim Verkauf von Kaffee und Kuchen. Und ehemalige „Bergkinder“ gaben in der Aula des Gymnasiums ein Konzert.
„Das Wetter dürfte ruhig ein bisschen besser sein. Aber wir können uns darauf verlassen, dass die Leute kommen. Das war hier immer so“, freute sich Schwester Theresia Raabe mittags im strömenden Regen.
Aber als zum Abschluss 150 Jubiläums-Luftballons in den Himmel stiegen, schien wieder die Sonne. Sicher ein gutes Zeichen für die Zukunft.