Pflegeministerin Barbara Steffens besucht das St. Franziskus-Haus in Oelde
„Gut, dass es solche Einrichtungen wie diese ambulant betreute Senioren-Wohngemeinschaft gibt“, sagte die nordrhein-westfälische Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Barbara Steffens, bei ihrem Besuch am Dienstagnachmittag im St. Franziskus-Haus in Oelde. Dieses Haus sei für die Senioren heimatnah, in den Ortsteil eingebunden und vor allem seien sie eingeladen, aktiv mitzumachen: „Es steht für die Kultur des Alterns, die und in Deutschland fehlt.“
Hausmanagerin Annette Longinus-Nordhorn hatte die Ministerin bereits zum fünften Geburtstag des St. Franziskus-Hauses im November 2012 eingeladen. Damals musste die grüne Politikerin absagen, versprach aber bei einer anderen Gelegenheit vorbeizukommen. Auch der frühere Arbeits- und Sozialminister Karl Josef-Laumann (CDU) hatte das St. Franziskus-Haus 2009 als innovative Wohnform im Alter in der letzten Legislaturperiode besucht.
Diskussion zwischen Mitarbeitern und Bewohnern
Barbara Steffens nahm an der großen Kaffeetafel im Wohnzimmer Platz. Um sie herum leitende Mitarbeiter der Seniorenhilfe-Einrichtungen der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (SMMP), Vertreter der Stadt und des Kreises und natürlich Bewohner. Die hatte die Ministerin vorweg bei einem Rundgang durch die beiden Etagen begrüßt. Und das brachte eine engagierte Diskussion in Gang.
Barbara Steffens betonte: „Stationäre Einrichtungen sind wichtig, aber davon gibt es genug. Wir müssen mehr dafür tun, dass die Menschen zu Hause oder aber zumindest so nah an ihrer Heimat alt werden können, dass sie noch denselben Kirchturm sehen.“
Der Geschäftsführer der SMMP-Einrichtungen und Dienste, Ludger Dabrock, teilte diese Ansicht: „Das ist auch unsere Philosophie. Überall, wo wir stationäre Einrichtungen um- oder neu bauen, richten wir Möglichkeiten für das betreute Wohnen ein.“ Die Schnittstelle zwischen Ambulant und Stationär sei in Deutschland ein Problem. Die Seniorenhilfe SMMP wolle dazu beitragen, Übergänge zu schaffen.
Quartierskonzept soll Nahversorgung garantieren
Stefan Mühlenbeck, Regionalleiter für die stationären und ambulanten Einrichtungen in Heiden und Herten-Westerholt, kritisierte, dass private Bauträger viel zu wenig dafür täten, seniorengerechte Wohnungen zu schaffen. „Das wird sich ändern“, ist Barbara Steffens überzeugt. Gerade in Großstädten werde der demografische Rückgang der Bevölkerung noch durch die Zunahme von Single-Haushalten kompensiert. „Aber das ist bald vorbei. Und sobald die Leerstände zunehmen, investieren sie auch.“
Die Landesregierung arbeite an einem Quartierskonzept, das die Nahversorgung und Dienstleistungen für ältere Menschen in einem Stadtteil bzw. einem Dorf auf dem Land sicherstellen soll: „Dazu gehören nicht nur Seniorenwohnungen und WGs wie diese. Dazu gehört beispielsweise auch, dass die Grünphasen von Ampeln das Queren des Fußübergangs mit einem Rollator ermöglicht; oder dass die Fahrpläne in ausreichend großer Schrift ausgedruckt sind“, erläuterte die Minsterin. Solche für die Lebensqualität wichtigen Faktoren ließen sich auch ohne größere Investitionen verbessern.
In der Zukunft warteten noch ganz andere Herausforderungen, für die das Quartierskonzept hilfreich sei: „Wir haben es immer mehr mit altersdepressiven, also psychisch kranken Menschen zu tun – weil viele Senioren vereinsamen. Immer mehr hätten zudem eine Migrationsgeschichte. Und schließlich müssen wir uns auch der wichtiger werdenden Frage der Unterbringung behinderter alter Menschen stellen.“
„Sozialstaat wurde in der Vergangenheit missverstanden“
Das könne der Staat allein nicht stemmen. „Hier wurde der Sozialstaat in der Vergangenheit als Grundversorger missverstanden. Der Wandel kann nur gelingen, wenn wir eine neue Kultur des Alterns erlernen. In der die Generationen mehr füreinander tun.“
Barbara Steffens nannte ein Beispiel: „Kinder nehmen alte Menschen ganz anders wahr. Sie kommen gern ins Seniorenheim und lernen von ihnen. Und sie übernehmen auch gern eine Aufgabe für sie. Warum binden wir sie nicht stärker mit ein?“
Das Ehrenamt dürfe hingegen nicht zu einer tragenden Säule des Konzeptes werden. „Ehrenamtlich engagieren sich vor allem Frauen. Wenn der Fachkräftemangel zunimmt, zieht es die aber wieder zunehmend in den Beruf“, prognostiziert die Ministerin.
Senioren aktiv in die Gesellschaft einbinden
Umso wichtiger sei es auch, alte Menschen möglichst lange aktiv in die Gesellschaft bzw. die Gemeinschaft einzubeziehen. „Viele kommen nach einem längeren stationärem Krankenhausaufenthalt deutlich passiver nach Hause oder in ihre Einrichtung zurück“, weiß Barbara Steffens. Denn im Krankenhaus würden sie vor allem versorgt. Zu Hause seien sie gefordert. Und die Seniorenheime könnten die Fähigkeiten der Senioren ebenfalls nutzen.
„Was aber, wenn der Sohn zu seiner Mutter sagt: Mutti, Kartoffel schälen brauchst Du hier nicht – Dein Pflegeplatz ist schon teuer genug?“, fragt Andreas Wedeking, Leiter des Seniorenzentrums Am Eichendorffpark in Oelde Stromberg und des Hauses St. Josef in Wadersloh. „Dann lässt Mutti es eben sein“, antwortet Barbara Steffens kurz und knapp. Dennoch sei es wichtig, solche Angebote zu machen. „Und davon werden die alten Menschen zunehmend Gebrauch machen wollen“, ist sie überzeugt. Denn sie wüssten am besten, was ihnen guttut.
Hedwig Mevenkamp zum Beispiel ist die Lebensfreude im St. Franziskus-Haus anzumerken. Eben weil ihre Fähigkeiten gefragt sind. Nicht nur, dass sie für viele ihrer Mitbewohner Socken gestrickt hat. Der Ministerin darf sie zum Abschluss des Besuches neben einem Blumenstrauß auch noch ein Päckchen mit bester Strickwolle überreichen. Sie tut es mit strahlenden Augen, erst recht, als die Politikerin ihr versichert, wie sehr sie das freut: „Oft sitze ich noch spät abends im Auto. Akten wälzen geht da nicht mehr. Aber das Dunkel-Stricken habe ich mittlerweise erlernt.“