Leitende Mitarbeiter der Seniorenhilfe erhielten Führungstipps aus der Bibel
Führen wie Jesus – kann das in der heutigen Zeit, in der Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen, überhaupt noch gelingen? Die Betriebsleitungen der Seniorenhilfeeinrichtungen in Trägerschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel setzten sich im Advent einen Tag lang ganz bewusst mit dieser Frage auseinander – und fanden in der Bibel die Antwort.
Natürlich hatten die leitenden Mitarbeiter zu dem Treffen im Bergkloster Bestwig Fragen mitgebracht. Die wollten sie mit dem Leiter des Bonner Instituts Management und Pflege und Vorsorge-Rechtsanwalt Frederic Seebohm diskutieren: Wie kann ich möglichst begeistert und dennoch stressfrei führen? Oder: Und wie schaffe ich es in einer christlichen Einrichtung, schlechte Nachrichten, die es auch immer wieder mal gibt, gut ‚rüberzubringen?
„Christliche Häuser gibt es nicht“
Frederic Seebohm stellte klar: „Christliche Einrichtungen gibt es gar nicht. Eine Wand und ein Haus können nicht christlich sein. Nur die Menschen darin. Und als Einrichtungsleiter kann ich diese Menschen nicht zu Christen bekehren. Dafür bin ich nicht verantwortlich. Aber ich darf sie einladen, ihr Christsein einzubringen und hier zu entfalten. Wenn Sie sich das klarmachen, bedeutet das für Sie auch weniger Stress.“
Die Bibel liefere keine Vertragsgrundlagen. „Aber aus ihr lässt sich sehr viel lernen. Auch was Führung angeht. Jesus hat sehr konsequent geführt. Er hat genau das gelebt, was er von seinen Jüngern erwartet hat.“ Diese Vorbildfunktion sei der Schlüssel für ein funktionierendes Miteinander, so der Bonner Rechtsanwalt. „Fragen Sie Ihre Mitarbeiter nicht: Was hätte ich besser machen können? Fragen Sie, wo war ich Vorbild für Euch, und wo nicht? Fragen Sie sich: Wie würde ich selber geleitet werden wollen? Dann werden sie Antworten bekommen.“
Gleichnis vom verlorenen Sohn
Als Vorsorgeanwalt vertritt Seebohm Menschen, die alt und krank sind und oft keinen Angehörigen mehr haben, der sich um sie kümmert. Dazu gehört eine alte Frau, die ihren Sohn nie wirklich geliebt hat und jetzt in die Demenz abgleitet. Die leitenden Mitarbeiter aus der Seniorenhilfe nicken eifrig. Solche Beispiele kennen sie.
„Jetzt haben Sie noch eine Chance, das Verhältnis zu reparieren“, hat Frederic Seebohm dem Sohn seiner Klientin geraten – und zitiert das Gleichnis vom verlorenen Sohn, nur dass jetzt die Mutter zu dem Sohn zurückkehren soll. „In der Bibel mussten Sohn Bruder und Vater gleichermaßen viel aushalten, damit der Friede in der Familie wieder hergestellt wird. So muss jeder von uns immer wieder bereit sein, zurückzustecken und Vorbild zu sein.“
„Beziehungen gelingen nur, wenn man Persönliches zulässt“
Vorbild sein und Beziehungen aufbauen. Das sei der Schlüssel zu einem christlichen und letztlich auch erfolgreichen Miteinander. „Und der Aufbau von Beziehungen gelingt nicht bei der Weihnachtsfeier mit 80 Leuten in der Pizzeria Da Vinci. Der gelingt nur im persönlichen Gespräch, in dem sie auch von sich selbst Persönliches zulassen.“
Im Matthäus-Evangelium heißt es: Der Größte unter euch soll euer Diener sein. Wer aber sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden (Mt. 23,11-12). Die drastische Schlussfolgerung für Frederic Seebohm: „Drehen Sie Ihr Unternehmensorganigramm einfach um: Dann stehen Ihre Bewohner und Kunden ganz oben. Und erst deren Zufriedenheit wird Sie erhöhen.“
Markus Borggreve gefällt diese Vorstellung. Der Pflegedienstleiter vom Haus St. Martin in Herten-Westerholt erklärt: „Ich staune, was man aus der Bibel für unseren Alltag alles `rausholen kann. Jesus in direkter Verbindung mit unseren Leitungsaufgaben zu sehen, ist schon interessant.“ Und die Qualitätsmanagementbeauftragte der Seniorenhilfe SMMP, Marianne Strugholtz, stellt fest: „Auf jeden Fall kommt die Bibel jetzt wieder auf meinen Schreibtisch.“
„Effizienz ist nicht immer effektiv“
„Führen wie Jesus – das funktioniert“, behauptet Frederic Seebohm. „Aber Sie können immer nur Vorbild für wenige sein und hoffen, dass sich das fortpflanzt. Auch Jesus hatte anfangs nur zwölf Menschen um sich herum.“
Und was die Frage der Effizienz im Arbeitsalltag betrifft, bemühte der Rechtsanwalt ausnahmsweise die Titianic als Beispiel: „Wenn da jemand in einer Stunde 500 Handtücher falten und sorgfältig auf die Liegen verteilen konnte, war das effizient. Aber nicht effektiv. Denn später ging das ganze Schiff unter.“
In diesem Sinne appellierte er zu überlegen, was wichtig sei: „Es ist etwas anders, ob man etwas richtig tut oder das Richtige tut. Oft gibt unser eigenes Empfinden darauf schon eine Antwort.“