In der modernen Altenpflege gilt die Fixierung dementer Bewohner mit Gurten schon lange als überholt. Die Kassen bezahlen tiefenverstellbare Pflegebetten, Sturzmatten und Hüftprotektoren bezahlen sie allerdings nicht.
„Wir haben schon einige Bewohner, die es nachts nicht im Bett hält, aber das ist auch nichts Schlimmes.“ Ida Knecht, Heimleiterin im Haus Maria Regina in Diestedde, hält nichts davon, den Bewegungsdrang demenziell erkrankter Menschen einzu-schränken – schon gar nicht durch Fixierungen.
„Es ist völlig undenkbar, dass wir jemanden mit Gurten ans Bett fesseln, nur damit er oder sie nicht durch die Gegend läuft oder stürzt“, sagt Knecht. „Auch kranke Menschen haben ein Selbstbestimmungsrecht, das wir respektieren.“ Alles andere, so weiß die erfahrene Heimleiterin wäre eine Straftat. „Arzt und Richter entscheiden über Fixierungen – nicht wir und auch nicht die Angehörigen.“
Natürlich gebe es Fälle, in denen Bewohner vor ihrem eigenen Bewegungsdrang geschützt werden müssen: „Wer nicht alleine stehen oder gehen kann, fällt natürlich hin, wenn er trotzdem versucht, allein aus dem Bett zu steigen.“ Bei Bewohnern, die zu dieser Art von Selbstgefährdung neigen, müssen die Altenpfleger geeignete Schutzmaßnahmen treffen. Gurte seien aber auch in diesen Fällen nicht die beste Wahl, so Knecht.
„Wir verwenden so genannte Niederflurbetten“, sagt Andreas Wedeking, der das Haus St. Josef in Wadersloh und das Seniorenzentrum „Am Eichendorffpark“ in Stromberg leitet. „Die werden nachts bis auf 30 Zentimeter herunter gefahren.“ Wer dann aus dem Bett fällt, fällt erstens nicht tief und zweitens auf eine weiche Matte, die an eine automatische Rufanlage angeschlossen ist. „Niedrigflurbetten und Signalmatte bezahlt keine Kasse“, sagt Wedeking. „Diese Kosten muss das Seniorenheim selbst tragen.“
Ja, die Kosten für einen Platz im Altersheim seien hoch und die Gehälter der Altenpfleger niedrig – andersherum wäre es allen lieber. „Das mag ja ein gesellschaftlicher Missstand sein“, so Wedeking, „aber das gibt niemanden das Recht, sich auf Kosten der ihm anvertrauten Menschen die Arbeit zu erleichtern.“ In fast allen Pflegeheimen gebe es außerdem auch ehrenamtliche Helfer, die ihre Unterstützung anbieten.
„Tagsüber sind unsere Bewohner in ihren Wohngruppen nie allein“, sagt Astrid Thiele-Jerome, Pflegedienstleiterin im Haus St. Josef. Wer wackelig auf den Beinen sei werde mit festen Schuhen und Hüftprotektoren geben die Folgen eines Sturzes geschützt.
„Selbstbestimmung, Würde und Wohlergehen unserer Bewohner stehen vor allen praktischen Erwägungen“, sagt auch Andrea Starkgraff, Geschäftsfeldleiterin der Seniorenhilfe SMMP, die sieben Seniorenheime mit vollstationärer Pflege betreibt. „Das macht die Arbeit in einem christlichen Unternehmen aus.“
„Anstrengender und demotivierender als alles andere“, sagt Ida Knecht, „ist die andauernde Unterstellung, dass wir unseren Bewohnern Unrecht tun.“
Darin, dass Anspruch und Wirklichkeit immer in Gefahr stehen, miteinander in Konflikt zu geraten, sind sich alle drei einig. „Wir werden von mehr als 30 Prüfinstanzen überwacht und das ist auch gut so“, sagt Ida Knecht. Die regelmäßigen Überprüfungen, zum Beispiel durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen, bedeuten zwar zusätzliche Arbeit. „Sie geben aber auch notwendige Impulse für Bereiche, in denen Verbesserungen möglich und nötig sind. Und sie bestätigen uns immer wieder, dass wir richtig arbeiten.“