Einrichtungsleiter stellen sich bei ihrer Herbsttagung im Bergkloster Bestwig den Fragen des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung
Mit viel „Rückenwind“ starten die Seniorenhilfe-Einrichtungen der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel zum 1. November 2010 eine Offensive zur Bindung ihrer eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von da an beteiligen sie sich an dem gleichnamigen Bundesprogramm zur Stärkung der Personalentwicklung in der Sozialwirtschaft. Dazu erhalten sie einen sechsstelligen Zuschuss.
Die Personalentwicklung in den acht stationären sowie vier ambulanten Senioren-Einrichtungen und Diensten der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel stand somit auch im Fokus der diesjährigen Betriebsleitertagung. Dazu trafen sich 28 leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Seniorenhilfe-Einrichtungen vom 29. September bis 1. Oktober im Bergkloster Bestwig.
Erst im Sommer haben die Seniorenhilfe-Einrichtungen das Zertifikat „Recognised for Excellence“ erhalten und damit belegt, dass die Struktur für ein gutes Personal- und Qualitätsmanagement steht. „Und nach dem Neubau der Einrichtungen in Wadersloh haben wir uns intensiv damit auseinander gesetzt, wie wir die Identität und Qualitätsmerkmale dieser Einrichtung neu definieren“, erläutert Andrea Starkgraff, Geschäftsfeldleiterin der Seniorenhilfe SMMP gGmbH. „Daraus erwuchs die Idee, diesen Prozess für alle Häuser neu zu beleben und auf der Basis der guten Arbeit in den letzten Jahren weiter voran zu bringen.“
Immer weniger Fachkräfte für wachsende Sozialwirtschaft
Wie wichtig die Notwendigkeit zur Bindung der bisher Beschäftigten sowie neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, belegt ein Blick auf die demografische und gesellschaftliche Entwicklung. Die nahm der Moderator des dreitägigen Treffens in Bestwig, Roland Weigel, in den Blick: „Schon bis 2020 wird es 1,8 Millionen weniger Erwerbstätige geben, obwohl es gerade in der Seniorenhilfe einen steigenden Bedarf gibt. Und bis 2025 werden nochmals 1,8 Millionen Arbeitskräfte fehlen.“
Weigel ist Geschäftsführer der Agentur Konkret Consult Ruhr in Gelsenkirchen und als Berater zahlreicher Einrichtungen in der Sozialwirtschaft tätig. Andrea Starkgraff ergänzt: „Angesichts dieser alarmierenden Prognosen ist es umso wichtiger, sich nach außen nicht nur für unsere Kunden, Bewohner und Geschäftspartner gut darzustellen, sondern auch als Arbeitgeber attraktiver zu wirken.“ Gerade da seien christliche Einrichtungen aufgrund ihrer Leitbilder im Vorteil.
Das sehen auch die Betriebsleitungen so. „Auf Fort- und Weiterbildungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen wir großen Wert“, stellte Thomas Schubert, Heimleiter des Altenheims Haus St. Martin in Herten-Westerholt, eines der Ergebnisse aus einer Kleingruppe vor. „Auch die Flexibilität, auf schwierige Lebenssituationen einzugehen, ist groß“, unterstrich Agnes Junker, Pflegedienstleiterin des Hauses Maria Regina in Diestedde. „Und ich staune immer wieder über die große Kollegialität untereinander. Beispielsweise, wenn es um die Aufteilung der Weihnachts- oder Silvesterdienste geht,“ verriet die Pflegedienstleiterin des Hauses St. Josef in Heiden, Irmhild Scheffner.
Müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter katholisch sein?
Ganz bewusst stellten sich die leitenden Kräfte aus den Seniorenhilfe-Einrichtungen aber auch jenen Fragen, die ein möglicher Bewerber im Vorstellungsgespräch nach Kenntnis des Stellenprofils in der Ausschreibung stellen würde: Wie hoch ist das Durchschnittsalter Ihres Teams? Welche Kompetenzen haben die Führungskräfte? Welche Verträge bieten Sie mir an: Befristet oder unbefristet? Muss ich katholisch sein? Und kann ich hier auch arbeiten, wenn ich in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebe?
„Auf manche dieser Fragen können wir derzeit keine konkreten Antworten geben“, stellt Markus Borggreve fest. Er ist stellvertretender Pflegedienstleiter und Qualitätsbeauftragter des Hauses St. Martin in Westerholt. Und er weiß wie seine Kolleginnen und Kollegen auch, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern. Menschen ohne konfessionelle Zugehörigkeit und ohne eine traditionelle familiäre Bindung gibt es immer mehr. „Dürfen Sie es sich als Arbeitgeber leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten?“, fragte Roland Weigel. Zumal der Prozess auch die Intention hat, Menschen mit Migrationshintergrund oder sozial Benachteiligte stärker zu integrieren.
Diskussion über Markenführung bei der Firma Connext
Die Definition der eigenen Kernkompetenzen und Qualitätsmerkmale sei dafür eine unabdingbare Voraussetzung. Mit diesen Fragen setzten sich die 28 Tagungsteilnehmer auch am Donnerstag bei einem Workshop zu der Frage „Was macht uns als Marke aus?“ unter der Leitung von Marco Petracca von der Werbeagentur PSV Marketing auseinander. Und am selben Abend besuchten sie noch die Firma Connext in Paderborn, einem der führenden Software-Entwickler für die Seniorenhilfe. Dort erläuterte Geschäftsführer Jörg Kesselmeier seine Unternehmensphilosophie und sein Verständnis von Markenführung.
„Ich finde, wir haben spannende Fragen gesammelt, denen wir uns stellen müssen. Ebenso spannend war es auch, sich hier in Bestwig und in Paderborn damit auseinanderzusetzen“, resümiert Andrea Spielmann, Leiterin des Hauses St. Josef in Heiden. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen die Konzepte zur Sicherung und stärkeren Gewinnung von qualifiziertem Fach- und Führungskräftenachwuchs in der Sozialwirtschaft auf neuen Füßen stehen.
Das Programm „rückenwind – Für die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert.