Neues Alarmsystem am Marienkrankenhaus soll verhindern, dass Demenz-Erkrankte unbeaufsichtigt das Haus verlassen
Nassau. Das Marienkrankenhaus Nassau investiert in die Sicherheit seiner Patienten: Ein neues Warnsystem soll verhindern, dass demenziell erkrankte Menschen das Haus unbeaufsichtigt verlassen und die Orientierung verlieren. Jetzt stellten die Verantwortlichen die technische Anlage vor.
„Wir wollen den Schutz für die größer werdende Zahl altersverwirrter Menschen in diesem Krankenhaus, das sich ja vor allem der Altersmedizin widmet, sicher stellen“, erläutert die kaufmännische Direktorin der Katholischen Kliniken Lahn, Barbara Werder. Die Funktionsweise vergleicht der technische Leiter des Krankenhauses, Manfred auf der Springe, mit der „Diebstahlsicherung in einem Kaufhaus.“ Er hat das System vor der Inbetriebnahme bereits auf Herz und Nieren geprüft.
Patientinnen und Patienten, die demenziell verändert sind und ein entsprechendes Gefahrenpotenzial aufweisen, erhalten bei der Aufnahme ein Armband mit einem zifferblatt-großen Empfänger. Sobald der Patient das Krankenhaus über einen der insgesamt neun Ausgänge verlässt, wird auf allen Stationen ein Alarm ausgelöst. Ein Computerbildschirm, der zentral im Erdgeschoss steht, zeigt genau an, um wen es sich handelt und welchen Ausgang er benutzt hat. „Orten lassen sich die Patienten darüber zwar nicht – aber wir gehen davon aus, dass wir dann schnell genug reagieren und den Betroffenen oder die Betroffene zurückholen können“, erklärt die Chefärztin der geriatrischen und der akut-inneren Abteilung, Dr. Cornelia Lippold. Die Abläufe nach einem Alarm seien dann ganz genau festgelegt.
Feuerwehr und Polizei loben neue Technik
Auch Feuerwehr und Polizei loben die Errungenschaft. „Eine Suche kann sehr langwierig werden. Und wenn ein alter Mensch – obendrein vielleicht noch viel zu dünn bekleidet – desorientiert das Haus verlässt, kann eine halbe Stunde entscheidend sein“, weiß der Dienststellenleiter der Polizei in Bad Ems, Peter Steger, aus Erfahrung. Horst Kaiser, Chef der Feuerwehr in der Verbandsgemeinde Nassau, schätzt die Zahl solcher Such-Einsätze im Kreisgebiet auf jährlich 10 bis 20.
Auch am Marienkrankenhaus hat es 2009 einen größeren Sucheinsatz gegeben. Stephan Stork, stellvertretender kaufmännischer Direktor der Katholischen Kliniken Lahn, blickt zurück: „Den haben wir nach langer Suche zwar in einem abgelegenen Raum innerhalb des Gebäudes wieder gefunden – aber auch dann hätte uns das Warnsystem weitergeholfen: Denn wir hätten gewusst, dass er das Haus vermutlich gar nicht verlassen hat.“ Daraufhin habe das Krankenhaus sofort über Lösungen nachgedacht und sich für den Kauf des Sicherheitssystems entscheiden. „Das schafft zwar keine absolute, aber doch höchstmögliche Sicherheit. Und gleichzeitig geben wir den Patienten die größtmögliche Bewegungsfreiheit innerhalb des Hauses“, freut sich Barbara Werder.
Auch der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nassau, Udo Rau, lobt die Entscheidung. „Dass so entschlossen gehandelt wird, erlebt man nicht oft. Jetzt hat Ihr Haus in weitem Umkreis Vorbildcharakter.“ Eine Behauptung, die Stephan Stork zu belegen weiß: „Denn als wir uns im Rhein-Lahn-Kreis erkundeten, wer bereits Erfahrungen mit einem solchen System hat, sind wir nicht fündig geworden.“ Die Kosten von 20.000 Euro musste der Träger zum großen Teil selbst aufbringen. Ein Viertel davon steuerte die 2007 gegründete Bergklosterstiftung SMMP dazu bei.
Angehörige und Ärzte entscheiden über Gefährdung
Zunächst sind fünf Armbänder angeschafft worden. „Wir gegen davon aus, dass das erst einmal ausreicht“, sagt Oberarzt Dr. Josef Rein. Wer ein solches Band erhält, entscheiden in der Regel die Ärzte. „Manchmal kommen auch die Angehörigen mit der Bitte auf uns zu, besonders auf den Bewegungsdrang eines Patienten zu achten“, weiß Dr. Cornelia Lippold, Chefärztin der Geriatrie und der akut-inneren Abteilung am Marienkrankenhaus. Oberarzt Dr. Josef Rein fügt allerdings hinzu, dass auch das Gegenteil der Fall sein kann „und wir erst die Angehörigen davon überzeugen müssen, dass der Patient demenziell erkrankt und gefährdet ist. Das löst unter Umständen einen Bewusstseinsprozess aus, der dann ohnehin stattfinden muss.“
Bewegungseinschränkungen und Behinderungen erfahren die betroffenen Patienten durch das Anlegen eines solchen Bandes nicht. „Es kann ebenso am Arm wie am Bein angelegt werden“, erläutert Dr. Rein. Und auch für den Fall, dass Angehörige mit einem betroffenen Patienten gemeinsam nach draußen wollen, gibt es natürlich eine Lösung. „Die Begleiter erhalten dann einen Therapeutensender, der den Alarm beim Verlassen des Krankenhauses verhindert“, so der Oberarzt. Was auch einen pädagogischen Effekt habe: „Denn das macht den Angehörigen deutlich, dass sie in diesem Moment die Verantwortung tragen.“
Zahl der demenziell erkrankten Menschen nimmt zu
Die Zahl demenziell veränderter Menschen wird in einer Gesellschaft, deren Lebenserwartung weiter steigt, zunehmen. Für diese Entwicklung zeigt sich das Marienkrankenhaus nun gut gerüstet. „Zumal es von der Architektur schon viel Bewegungsfreiheit lässt und die Gänge immer wieder miteinander verbunden sind, also nicht notwendigerweise auf den Ausgang zulaufen“, ergänzt Barbara Werder. Auch wenn sie nicht weiß, ob die Architektur des 20 Jahre alten Gebäudes dem heutigen Stand der Forschung eher zufällig entspreche – oder ob das bei der Planung des Krankenhauses schon bedacht worden war.