Leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schwestern der hl. Mara Magdalena Postel trafen sich zur Strategietagung im Bergkloster Bestwig
Bestwig. „Wie können wir neue Physiklehrer für uns interessieren, wenn wir keine Verbeamtung in Aussicht stellen und nur weniger Gehalt bieten können als andere Schulen?“, fragt der Leiter des Engelsburg-Gymnasiums, Dieter Sommer. „Wie kann ein Chefarzt mehr Zeit für Patienten gewinnen, wenn die Krankenkassen mittlerweise jeden dritten Behandlungsfall prüfen und Stellungnahmen verlangen?“, will die kaufmännische Direktorin der Katholischen Kliniken Lahn, Barbara Arend, wissen. Schließlich fragt Andreas Wedeking als Leiter des Hauses St. Josef in Wadersloh: „Inwieweit können wir bei allen wirtschaftlichen Herausforderungen als Mitgesellschafter einer Einrichtung die Identität der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel in unserem Seniorenheim bewahren?“
Wir können! – lautete die Botschaft der Betriebsleitertagung vom 15. Bis zum 17. September im Bergkloster Bestwig. Auch wenn deutlich wurde, dass der Weg zum Ziel manchmal steinig ist: „Aber in dem Moment, wo Sie das positive Denken verlassen, können sie dieses Ziel auch nicht mehr erreichen“, betonte die Moderatorin und Unternehmensberaterin Dr. Eva Strasser. Dabei verwies sie auch auf das enorme Potenzial, das sich unter dem Dach der Ordensgemeinschaft vereint.
„Vertrieb heißt nicht Vertreibung“
Bei der dreitägigen Konferenz nahmen die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den über 30 Einrichtungen und Diensten der Ordensgemeinschaft und ihrer Beteiligungen ihre Vertriebswege unter die Lupe. „Ein Wort, das mir nicht leicht über die Lippen geht“, erklärte Schwester Bernadette Korte, Pflegedienstleiterin des Gertrudis-Hospitals in Herten-Westerholt. Und damit brachte sie die Vorbehalte so mancher Tagungsteilnehmer zum Ausdruck. „Aber es ist ein Wort, das nichts mit Vertreibung, sondern mit Antrieb zu tun hat“, warb Dr. Eva Strasser für den Begriff, der in der freien Marktwirtschaft längst etabliert ist. Vertrieb als Antriebsfeder, als Marketinginstrument, als Erfolgsgarantie: Was kann ein gemeinnütziger, christlicher Träger dabei von Banken und anderen Unternehmen lernen? Wo übernehmen die Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel diese Ideen und Instrumente auf Basis eines christlichen Menschenbildes und des Ideals der Barmherzigkeit? Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes hatten Geschäftsführer Ludger Dabrock sowie Geschäftsfeldleiterin Andrea Starkgraff für die Seniorenhilfe und Geschäftsfeldleiter Michael Bünger für den Bildungsbereich zwei externe Referenten eingeladen: Am Mittwoch, 16. September, referierte Norbert Küsgen, Direktor der Geschäftsstelle Köln der Bank für Sozialwirtschaft über die Frage: „Wie müssen sich soziale Unternehmen und ihr Management aufstellen, damit sie zukunftsfähig sind?“ und am Donnerstag, 17. September, informierte Hans-Gerd Janssen, Geschäftsführer des Lebensmittelanbieters JOMO GV-Partner aus Weeze, zum Thema: „Wie entwickelt sich die Sozialwirtschaft? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Träger und Management?“
„Lernorte der Barmherzigkeit“
Zum Auftakt der Tagung gab Generaloberin Schwester Aloisia Höing erst einmal ein klares Bekenntnis der Ordensgemeinschaft zu ihren Einrichtungen und Diensten ab. Mit schlichten und deutlichen Sätzen bezog sie dabei die Frage ein, wie sich das Charisma der Ordensgründerin über diese Einrichtungen entfalten kann. Viele Frauengemeinschaften unter den insgesamt 460 Gemeinschaften in der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) seien zu dem Entschluss gekommen „ihre sozial-caritativen Werke an andere Träger zu geben, um freier zu sein für andere Aufgaben und Dienste ohne den Ballast eigener Werke. Unsere Gemeinschaft hat sich im Provinzkapitel der Europäischen Provinz im April dieses Jahres entschieden, weiterhin für unsere Einrichtungen Verantwortung zu übernehmen, auch wenn sich die Situation unserer Gemeinschaft zahlen- und altersmäßig verändert.“
Wesentliches Ziel sei es, das Charisma weiterzutragen: „Und das bedeutet, dass wir unseren caritativen und pädagogischen Auftrag weiterhin erfüllen wollen, auch wenn wir Ordensschwestern nur noch minimal beteiligt sind.“ Zudem garantierten die Einrichtungen, nah am Menschen und am Nerv der Gesellschaft zu bleiben. Ein besonderes Anliegen bleibe, christliche Werte zu leben und sie anderen zu vermitteln: „So können wir mithelfen, die Gesellschaft zu prägen, in der gegenwärtig Rücksichtslosigkeit und Gewaltbereitschaft in beunruhigender Weise zunehmen.“ Schließlich sei es auch das Bestreben, Arbeitsplätze zu erhalten und Ausbildungsplätze zu schaffen. Angesichts dieser Argumente hob die Generaloberin hervor, „dass unsere Ordensgemeinschaft unsere Einrichtungen im Geist unserer Gründerin führt und prägt, aber auch, dass unsere Einrichtungen in ihrer Vitalität und Aktualität uns als Ordensgemeinschaft prägen.“
Dazu gehörten der Mut des Trägers, Verantwortung abzugeben, aber auch seine Zusage, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin zu unterstützen: damit die Einrichtungen „Lernorte des Glaubens“ würden und die „innere Achse“ mit Blick auf die Barmherzigkeit erhalten bleibe. Abschließend erklärte Schwester Aloisia: „Wir sind alle Ebenbilder Gottes und leisten durch unsere Arbeit einen Beitrag, dass uns und unseren Mitmenschen diese Würde der Gottesebenbildlichkeit nicht verloren geht. Das ist es, was uns von anderen Einrichtungen unterscheidet und unterscheiden muss, was uns ständig neu Auftrag bleibt: SMMP hat Einrichtungen für die Ebenbilder Gottes.“
Vertieft wurden diese Gedanken durch eine von Generalsekretärin Schwester Theresia Lehmeier vorbereitete Präsentation zum Thema der Barmherzigkeit – was sie heute bedeutet und wie wir die Inhalte dieses Begriffes in die tägliche Arbeit einbeziehen können.
„Zeit des Selbstkostendeckungsprinzips ist endgültig vorbei“
Danach unternahm der Geschäftsführer der Einrichtungen und Dienste, Ludger Dabrock, eine betriebswirtschaftliche und strategische Standortbestimmung, die während der ganzen Tagung auf Basis der verschiedenen Impulse von allen Teilnehmern präzisiert und fortgeführt wurde.
Auch der Geschäftsführer dankte den leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr großes Engagement, führte ihnen aber zugleich vor Augen, vor welchen Herausforderungen die einzelnen Geschäftsfelder stehen: „Dabei fallen vor allem die Tariferhöhungen ins Gewicht: Das Plus von insgesamt acht Prozent im Tarifsystem der Caritas AVR macht allein im Bereich der Seniorenhilfe für 2008/2009 eine Million Euro aus, die so nicht refinanziert werden“, verdeutlichte der Geschäftsführer. Die Kostenträger glichen diese Tarifsteigerungen nicht mehr aus: „Damit ist die Zeit des Selbstkostendeckungsprinzips endgültig vorbei.“
„Besser, billiger oder anders“
Gleichzeitig brächen die Zinserträge in Folge der Banken- und Wirtschaftskrise weg. Und dem Bund bliebe angesichts der Nettokreditaufnahme von 50 Milliarden Euro in diesem Jahr, steigender Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren und der geschätzten Steuerausfälle von 316 Milliarden Euro bis 2013 nichts anderes übrig als massiven Druck auf die Sozialsysteme auszuüben.
Hans-Gerd Janssen machte in seinem Vortrag deutlich, dass diese Situation schnell zu einem Teufelskreis führe: Sparzwänge führten zum Investitionsstau, der wiederum verringere die Effizienz; dadurch ergebe sich ein Ertragsrückgang, der die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit senke, was sich wiederum negativ auf die Nachfrage auswirke. „Es gibt nur drei Möglichkeiten, den Eintritt in diesen Kreis zu verhindern“, machte der Geschäftsführer des JOMO GV-Partner Großhandels deutlich – und nannte die Stichworte „besser – billiger – anders“.
Für die Einrichtungen in Trägerschaft der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel gilt vor allem das Prinzip „anders“, was die Generaloberin in ihrem Statement ebenso verdeutlicht hatte wie es Ludger Dabrock in seiner Standortbestimmung tat: „Die Kunst liegt darin, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Arbeitsplatz und den Ort hinaus zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihrem Tun zu bringen und die Ziele der Ordensgemeinschaft dabei im Gespräch zu halten.“ Durch sie und mit ihnen müsse das Charisma der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel in den Einrichtungen und Diensten erfahrbar werden.
„Vertriebsprozess schafft Energie“
Wie wichtig die Identität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber ist, verdeutlichte Dr. Eva Strasser anhand ihres eigenen Unternehmens: „Denn auch wir sind durch die Wirtschaftskrise im April zu einer Situation gekommen, wo wir wussten, dass es so nicht weitergeht.“ Folgerichtig wandte sie die Hebel der Veränderung auch bei ihrer eigenen Firma an: Ziele setzen und vermitteln; die Vertriebsziele ableiten und mit den Mitarbeitern vereinbaren; die Mitarbeiter nach ihren Fähigkeiten einsetzen; die Vereinbarungen dokumentieren; die Vertriebskontrolle sicherstellen und sich somit als ganzes Team weiterentwickeln. „Dieser Vertriebsprozess hat uns am Ende viel Energie gegeben“, sagte die studierte Psychologin und Unternehemsberaterin.
„Ein Kampf um Köpfe“
Ludger Dabrock nannte in seinen Ausführungen die wichtigsten Herausforderungen und Ziele zur Fortentwicklung der „Marke SMMP“ in den einzelnen Geschäftsfeldern: Im Bereich der Bildungseinrichtungen seien das zum Beispiel neue inhaltliche Konzepte und Schwerpunktbildungen – vor allem in der Schaffung neuer Ganztags- und Betreuungsangebote. Die Gelder aus dem sogenannten Konjunkturpaket II böten dafür gute Möglichkeiten. So erfuhr Schulleiterin Schwester Maria Thoma Dikow während der Tagung, dass der Rat der Stadt Menden dem Walburgisgymnasium und dem Placida Viel Berufskolleg aus Mitteln des Konjunkturpakets II schon einmal 400.000 Euro zuteilt. Dabei stünde den Mendener Schulen der SMMP nach anteiliger Schülerzahl sogar noch mehr zu.
Auch an der Engelsburg in Kassel ist nun eine ganz neue Cafeteria geplant: „Das bringt uns baulich nach vorn“, ist Schulleiter Dieter Sommer erleichtert, auch wenn er den nächsten Punkt, den Geschäftsführer Ludger Dabrock nannte, an seiner Schule besonders hart zu spüren bekommt: Den Kampf um die Köpfe. Zwar hat das Gymnasium in Kassel unter dem demografischen Wandel derzeit noch nicht zu leiden. Jedoch hat diese Schule einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bei dem Werben um Lehrer für Fächer, bei denen es in Zukunft eng wird. Dr. Eva Strasser weiß, dass es in solcher Situation nur einen Ausweg gibt: „Sie müssen an Ihrer Schule etwas zusagen können, was andere nicht haben.“ Dagegen steckt das Katholische Gymnasium der Bergschule St. Elisabeth in Heiligenstadt aufgrund der dramatischen demografischen Entwicklung auch schon mitten im Wettbewerb um die Schüler: „Obwohl es bei uns ein verpflichtendes Elterngeld gibt, sind die Zahlen seit einigen Jahren wieder stabil“, freut sich Schulleiter Heinz-Peter Kaes.“ Als man vor einigen Jahren vor der Frage gestanden habe, mit 76 Schülern dreizügig zu starten oder 16 Schüler abzuweisen und es bei zwei Klassen zu belassen, habe man einen Weg gefunden drei Klassen zu nehmen: „Einige Lehrer haben freiwillig mehr unterrichtet. Nur so war das möglich. Wer weiß, welche Aussagekraft das in der Öffentlichkeit gehabt hätte, 16 Schüler abzuweisen“, fragt sich der Schulleiter heute.
„Angebot für Demenzerkrankte bauen wir aus“
Für die Einrichtungen aus der Seniorenhilfe steht 2010 die nächst höhere Zertifizierungsstufe an. Dann wollen sich die sechs Häuser sowie die angeschlossenen ambulanten Dienste, die Tagespfege, das Fachseminar, diea ambulant betreute Senioren-WG und weitere Einrichtungen um das Siegel „recognised for excellence“ bewerben. Dabei spielt auch der Ausbau der Angebote für Demenzerkrankte eine wichtige Rolle. Das St. Franziskus-Haus in Oelde als ambulant betreute Wohngemeinschaft für genau diese Gruppe von Menschen schreibt bereits eine Erfolgsgeschichte. Hausmanagerin Annette Longinus-Nordhorn erklärt: „Mittlerweile ist das Haus mit 24 Bewohnern voll belegt. Und 22 Namen stehen auf unserer Warteliste.“ Elemente dieses Hauses finden sich auch in der Neubaukonzeption des Hauses St. Josef in Wadersloh und im Wohnstubenkonzept des Hauses Maria Regina in Diestedde wieder. „Deshalb beteiligen wir uns auch mit Oelde und Diestedde an einem Leuchtturmprojekt des Bundesgesundheitsministeriums“, erklärt Agnes Junker, Pflegedienstleiterin aus dem Haus Maria Regina in Diestedde.
Doch wie viele zusätzliche Leistungen muss auch dieses Konzept im Wesentlichen ohne zusätzliche Gelder auskommen. Das betonte Olav Finkermann, Leiter der Zentralverwaltung Seniorenhilfe SMMP. Er vertrat Geschäftsfeldleiterin Andrea Starkgraff, die krankheitsbedingt an der Tagung nicht teilnehmen konnte. Auslastungsschwankungen müssten im Bereich der stationären Häuser ebenso kompensiert werden wie erhöhte Qualitätsanforderungen. Als strategische Maßnahme seien deshalb ein zeitnaheres, handlungsorientierte Controlling und eine flexiblere Personaleinsatzplanung erforderlich. „Die junge Führungsstruktur hat gezeigt, dass sie imstande ist, Weiterentwicklungen auch unter schwierigen Umständen voranzutreiben“, lobte Olav Finkermann vor allem den Einsatz der Einrichtungsleiter aus dem Raum Ostwestfalen nach dem Führungswechsel im Haus St. Josef in Wadersloh. Die Angebote der Versorgungskette würden erweitert. So zum Beispiel mit dem Martinustreff in Herten-Westerholt, der Senioren eine niederschwellige Tagesbetreuung in der Innenstadt bietet. „Und natürlich sind Investitionen in Steine erforderlich. Beim Umbau des Hauses in Heiden ist das bereits geschehen und der Neubau in Wadersloh wird Anfang nächsten Jahres bezogen“, kündigte Olav Finkermann an. Auch die Erweiterung des Angebots an neuen Standorten werde geprüft – „wenn es strategisch Sinn macht und Synergien bringt.“
„Inzwischen lehnen wir jede zweite Finanzierung ab“
Wie schwierig Umschuldungen und Kreditaufnahmen inzwischen geworden sind, erläuterte Norbert Küsgen in seinem Vortrag am Mittwoch: „2008 haben wir jede zweite Kreditanfrage wegen einer zu geringen Eigenkapitalquote oder zu schlechter Zukunftsaussichten abgelehnt“. Dabei setze seine Bank bei Senioreneinrichtungen ein sehr differenziertes Bewertungssystem an: „Unsere Mitarbeiter besuchen die Häuser, sprechen aber auch mit dem Bürgermeister, dem Sozialamt oder Bewohnern des Hauses.“ Erst durch belegbare Zahlen wie Eigenkapitalquote, Liquiditätsstatus, Bilanzsumme und Umsatzrentabilität einerseits sowie Belegungszahlen, Bewertung des Managements und eine Analyse des Marktumfeldes als weiche Faktoren andererseits setze sich ein Bild zusammen, auf dem die mögliche Finanzierung basiert.
Das sogenannte Basel 2-Abkommen, das die Bewertung eines Ausfallrisikos für Kredite vorschreibt, habe die Finanzierung solcher Häuser noch schwieriger gemacht. Dabei gab der Experte unumwunden zu, dass Nordrhein-Westfalen das Bundesland sei, das im Bereich der stationären Pflege dem stärkstem Kostendruck unterworfen sei. Und diese Situation werde sich 2010 noch verschärfen: „Erst dann werden die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkung auf die Sozialsysteme im vollen Umfang sichtbar werden.“
Seine Bank verlangt von den Einrichtungsträgern deshalb Fünf-Jahres-Pläne. „Dabei lassen wir die Ausrede, dass man die wegen der vielen Unwägbarkeiten nicht erstellen könne, nicht gelten. Auch wir als Bank wissen nicht, wohin sich die Zinssätze im nächsten Jahr entwickeln werden.“
„Jeden Tag ein neues Seniorenheim“
Die am Donnerstag vorgestellten Zahlen von Hans-Gerd Janssen konkretisierten das. Auf der einen Seite sei die Gesundheits- und Pflegewirtschaft seit dem zweiten Weltkrieg ununterbrochen ein Wachstumsmarkt: „Prognosen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Pflegeheime bis 2020 verdoppelt. Eigentlich müsste als jeden Tag ein neues Haus in Deutschland eröffnet werden.“ Auf der anderen Seite werde die finanzielle Lage für viele Träger prekärer: „Bei den Pflegeeinrichtungen liegen inzwischen 13 Prozent im kritischen Bereich, bei den Krankenhäusern 18 Prozent und bei den Reha-Kliniken sogar 24 Prozent.“
„Leistungen in die Köpfe der Menschen kriegen“
Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass das Marienkrankenhaus in Nassau seit zwei Jahren kein reines Reha-Krankenhaus mehr ist, sondern inzwischen auch wieder eine Akut-Innere Abteilung und eine Notfallaufnahme hat. „Das müssen wir durch Marketing und intensive Öffentlichkeitsarbeit allerdings noch in die Köpfe der Menschen kriegen“, erklärte die Kaufmännische Direktorin der katholischen Kliniken Lahn, Barbara Arend. Durch ein Paket strategischer Maßnahmen sei es seit Jahresanfang schon gelungen, die Einnahmesituation beider Häuser weiter zu verbessern: „Dabei wollen wir vor allem dafür sorgen, unsere Fachabteilungen von Akut bis Reha, die es in dieser Kombination nirgendwo anders gibt, noch stärker zu vernetzen. Dann haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, das sonst kaum einer aufweisen kann.“ Zum Spektrum der beiden Häuser gehören die Naturheilverfahren, die Lungenheilkunde und die Orthopädie in der Hufeland-Klinik sowie die Akut-Innere Abteilung und die Geriatrie im Marienkrankenhaus.
„Zusammenlegung spart Kosten“
Vernetzung ist das wesentliche Vorhaben im zu Beginn des Jahres 2009 neu gegründeten Klinik-Verbund Katholisches Klinikum Ruhrgebiet Nord. Die Geschäftsführerin des Gertrudis-Hospitals in Herten-Westerholt, Astrid Pietzner, erklärte: „Indem wir medizinische und pflegerische Bereiche sowie Teile der Verwaltung zusammenlegen, sparen wir Kosten.“ Auch die Raten für wichtige Versorgungsleistungen wie Gas und Strom könnten im Verbund gesenkt werden. „Und gegenüber den Krankenkassen haben wir mit 33.000 Patienten im Jahr natürlich eine ganz andere Verhandlungsposition“, führte die Geschäftsführerin aus. Angestrebt sei nach der Gründung der Holding auch die Zusammenlegung der beiden noch bestehenden GmbHs, um Personal flexibler einzusetzen. Das schaffe neue Möglichkeiten und Ressourcen: „Wir spezialisieren uns jetzt zum Beispiel auf die Chirurgie im Alter und verstärken die Zusammenarbeit von Geriatrie und chirurgischer Abteilung.“ Dadurch gelinge es, möglichst schonende Narkose- und Operationstechniken anzuwenden. Außerdem wolle man niedergelassene Ärzte strategisch einbinden, wie es auch durch den Bau von Ärztehäusern an den Kliniken geschieht.
„Außerhalb eines Verbundes haben kleinere Krankenhäuser in Zukunft keine Chancen mehr“, betonte auch Ludger Dabrock. Mindestmengen bei medizinischen Leistungen, neue Einkaufsmodelle und die Verzahnung stationärer und nachstationärer Versorgung könnten nur auf diese Weise gelingen. „Denn die Verweildauer der Patienten ist mit durchschnittlich nur noch 8,2 Tagen erheblich kürzer geworden. Diese zurückgehende Patientenzahl müssen wir durch Effizienz und Zusatzleistungen kompensieren.“
„Wollen Spezialwissen bündeln und anwenden“
Dieses Schema gilt letztlich auch für die 2008 gegründete Gesundheitsakademie SMMP mit der Bildungsakademie für Therapieberufe, dem Fachseminar für Altenpflege und dem Bildungswerk. „Im Bereich des Marketings arbeiten wir bereits eng zusammen. Wir treten überall, gemeinsam auf. Auch im Internet. Und jetzt planen wir an unserem neuen Standort in Bestwig-Velmede eine Akademiepraxis, wo wir unser Spezialwissen bündeln und anwenden können“, kündigte Andreas Pfläging an.
Den Ausbau solcher Netzwerke stellte Ludger Dabrock denn auch als eine der vorrangigen Konsequenzen aufgrund der Entwicklungen in den aktuellen „Umwelten“ vor: „Stärker werden können wir nur gemeinsam. Dazu Bedarf es eines strikten Kostenmanagements, der Forcierung strategischer Ausrichtungen sowie der Schaffung zeitgemäßer Angebote – und das immer orientiert an den Vorgaben des Ordens.“
„Idee plus Marketing gleich Innovation“
Hans-Gerd Janssen warb vor diesem Hintergrund für eine stärkere Profilierung durch Marketing und Vertrieb: „Entscheidend dafür ist auch die transparente Kommunikation nach innen. Denn in jeder Mitarbeiterschaft gibt es eine Menge an Ideen. Die Kunst ist es aber, sie erkennen, zu vermitteln und umzusetzen. Idee plus Marketing bedeuten Innovation.“ Dabei dürfe man unter dem Begriff „Marketing“ alles verstehen, was erforderlich ist, um am Markt zu bestehen. Die Umsetzung sei dann der Vertrieb: „Und in diesem Sinne sind wir alle Vertriebler.“
Während Norbert Küsgen aus der Erfahrung zahlloser Kundengespräche weiß, dass sich die betriebswirtschaftliche Kompetenz der Einrichtungsleitungen in den letzten Jahren deutlich erhöht habe, lobte auch Ludger Dabrock: „Das nehme ich bei uns genauso wahr: Das Bewusstsein über die Zusammenhänge guter inhaltlicher Arbeit und guter Darstellung nach außen ist erheblich gestiegen.“ Olav Finkermann stellte klar: „Kein Betriebs- oder Schulleiter muss deshalb in Zukunft selbst Fünf-Jahrespläne aufstellen. Das tun unsere Abteilungen, die darauf spezialisiert sind. Aber geschehen kann das nur in enger Zusammenarbeit. Und das setzt die Bereitschaft dazu voraus.“
Für die abschließende Runde am Donnerstagnachmittag griff Ludger Dabrock die drei Fragen auf, die Hans-Gerd Janssen in seinem Referat zur eigenen Standortbestimmung formuliert hatte: Mit welchen drei Maßnahmen steigern wir den Kundenwert signifikant? Mit welchen Innovationen müssen wir wachsen? Und was werden wir unseren Kunden morgen garantieren? Die Antworten der anwesenden 40 leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigten, wieviel Kreativität und Energie sich unter dem Dach der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel versammeln: Dabei stellten die Professionalisierung des Marketings, das Entwickeln neuer Angebote und das Wirken zum Wohl der Menschen unter Beachtung ihrer Würde und christlicher Werte den gemeinsamen Nenner dar – was der Optimierung der Vertriebsstrukturen und der Steigerung der Identität entspricht. Zwei wesentliche Ziele, die angesichts sich schneller verändernder Umwelten in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik immer wichtiger werden.
Fakten:
Ludger Dabrock nannte in seiner Standortbestimmung wesentliche Kennzahlen für die einzelnen Geschäftsfelder:
Bildung und Erziehung
So haben die vier berufsbildenden Schulen der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel derzeit 39 Bildungsgänge, 229 Mitarbeiter und 2.224 Schüler. Die drei Gymnasien beschäftigen 226 Mitarbeiter und verfügen über 2.802 Schüler. „Das sind zusammen über 5.000 junge Menschen, die täglich unsere Bildungseinrichtungen besuchen: Ein großes Potenzial, das wir nutzen müssen, indem wir ihnen etwas mit auf den Weg geben“, unterstreicht Ludger Dabrock.
Gesundheitshilfe
Die Katholischen Kliniken Lahn verfügen in der Hufeland-Klinik und im Marienkrankenhaus über 300 Betten. Dort wurden im letzten Jahr 6.850 Patienten behandelt. 242 Mitarbeiter sorgten für einen Umsatz von 14,5 Millionen Euro. Der Verbund Katholisches Klinikum Ruhrgebiet Nord (KKRN GmbH), an dem der Orden beteiligt ist, verfügt sogar über 1.000 Betten. Hier werden jährlich von 2.200 Mitarbeitern 33.000 Patienten versorgt. Der Umsatz liegt bei 102 Millionen Euro.
Seniorenhilfe
Die Seniorenhilfe SMMP verfügt in ihren stationären Häusern über 554 Plätze. Die haben sich 2008 rund 1.000 Bewohner geteilt. 229 Kunden zählte die Tagespflege. Insgesamt bindet das gesamte Feld der Seniorenhilfe 633 Mitarbeiter. Der Umsatz beträgt 22 Millionen Euro.
Service-Gesellschaften
Der Gastronomischen Dienstleistungs-Service (GDS) lieferte 2008 mehr als 285.000 Mahlzeiten aus. „Das ist jedesmal ein Kontakt mit Menschen, die nicht in der Lage sind, sich durchgehend selbst zu versorgen. Auch das ist ein riesiges Potenzial, unsere Inhalte zu vermitteln“, erklärt der Geschäftsführer. GDS beschäftigt 214 Mitarbeiter und erzielte 2008 einen Umsatz von 4,248 Millionen Euro. Die Gesellschaft für Servicedienstleistungen (GfS), die überweigend in der Gebäudereinigung tätig ist, hatte mit 220 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,845 Millionen Euro.
Zu den Fotos:
Oben Generaloberin Schwester Aloisia Höing und der Geschäftsführer der SMMP Einrichtungen und Dienste, Ludger Dabrock, bei der Begrüßung der Tagungsteilnehmer und ihren ersten Impulsreferaten. Darunter Aufnahmen vom Vortrag des Direktors der Geschäftsstelle Köln der Bank für Sozialwirtschaft, Norbert Küsgen, sowie von Seniorenhilfe-Einrichtungsleiter Andreas Wedeking, Geschäftsfeldleiter Michael Bünger, der kaufmännischen Direktorin Barbara Arend und dem Leiter der Zentralverwaltung Seniorenhilfe SMMP, Olav Finkermann. Am Donnerstag referierte Hans-Gerd Janssen, Geschäftsführer der JOMO GV-Partner Großhandel GmbH & Co KG, über die Entwicklung der Sozialwirtschaft (Fotos unten). Moderiert wurde die dreitägige Konferenz von der Unternehmensberaterin Dr. Eva Strasser aus München.
Unterhaltsame Abwechslung bot der Mittwochabend mit dem Überraschungsgast Kathrin Heinrichs (Fotos im unteren Drittel der Bildleiste). Die Autorin und Kabarettistin hatte am Walburgisgymnasium in Menden Abitur gemacht. In ihrem kabarettistischen Teil als Lehrerfrau Helga bezog Sie viele Aspekte mit ein, die auch Thema der Tagung waren: Etwa, dass ihr eine andere Frau den Vorsitz der Selbsthilfegruppe für Lehrerfrauen weggeschnappt hat, obwohl die doch gar nicht mit einem Lehrer liiert sei: „Ihr Mann ist nämlich Schulleiter“. Oder als sie das neue Fortbildungsangebot der KfD für Senioren präsentierte. Da wird in einem Workshop zum Thema „Das Steckbecken im Mehrbettzimmer“ auch schon mal die „Reise nach Jerusalem“ gespielt. Alle Fotos: SMMP