Muss ein Text kurz sein, damit er gelesen wird?
Nein.
Die Lesewert-Analyse, die zusammen mit Lesern Online- und Print-Artikel untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass lange und gut strukturierte Beiträge wie Essays und Reportagen/Portraits durchaus beliebt sind. Beliebter sogar als kurze Nachrichtentexte, von denen es viel mehr gibt.
Was wird denn gelesen?
Wir lesen in der Regel, was uns interessiert – oder amüsiert. Oder beides zusammen. Nun ist nicht alles, was wir für andere Menschen aufschreiben, geeignet, dem Leser ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Muss ja auch nicht sein. Deswegen bleiben wir hier mal bei dem, was die Menschen interessiert oder – noch wichtiger – von dem wir wollen, dass es sie interessiert.
Es geht also um Informationen. Die müssen aber kurz und knapp sein, oder?
Wenn es kurz und knapp geht – gut. Geht aber nicht immer. Manchmal möchte man einfach mehr sagen als „Essen ist fertig“ (siehe Kasten).
Kurz & knapp geht vor allem dann nicht, wenn Leser erfahren (und verstehen) sollen, wie wir in unseren Einrichtungen (Schulen, Seniorenheimen, Wohngemeinschaften) manche Dinge machen und warum wir das so machen und nicht anders. Das sind die sogenannten „Konzepte“.
- Unterrichtskonzepte
- Pflegekonzepte
- Qualitätsentwicklungskonzepte
- Betreuungskonzepte
Das sind immer diese langen Dinger mit langen Sätzen und Fachbegriffen. Kein Mensch liest das.
Na, sagen wir mal, die Zahl der Leser ist überschaubar. Bei Internetseiten kann man ganz gut sehen, wie lange die durchschnittliche Verweildauer auf einer Seite ist. Und wenn ein Text 5000 Zeichen und mehr hat, der durchschnittliche Besucher aber nach 2 Sekunden lieber weiterklickt, liegt die Vermutung nahe, dass der Text nicht gelesen wurde.
Der Küchenzuruf
„Essen ist fertig“ ruft man aus der Küche ins Wohnzimmer (oder ins ganze Haus), um die Familie (oder wen auch immer) aufzufordern, zum Essen in die Küche zu kommen.
Man könnte auch rufen „Das Drei-Gänge-Menü, das ich jetzt vier Stunden lang mit Blick auf neueste ernährungsphysiologische Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der diätetischen Bedürfnisse aller Adressaten und mit viel Liebe und Herzblut zubereitet habe, ist jetzt fertig, und es wäre schön, wenn nun alle in die Küche kämen, sich an den Esstisch setzten und essen würden.“
Würde das auch so gut funktionieren wie „Essen ist fertig“?
Dann ist der Text für diese Leser eben nicht relevant/interessant.
Was für einen Leser relevant / interessant ist, entscheidet er selber. Wir sollten ihm nur die Möglichkeit geben, diese Entscheidung zu treffen. Und zwar schnell.
Wenn ich mich als Leser erst durch drei endlos scheinende Sätze arbeiten muss, um herauszufinden, ob die Informationen für mich interessant sind, komme ich nicht zu dieser Entscheidung.
Da hilft es auch nicht, wenn mir da noch ganz viele Unterseiten mit Zusatzinformationen angeboten werden, durch die ich klicken kann. Warum sollte ich das tun, wenn mein Interesse schon auf der ersten Seite nicht geweckt wurde.
Ich gebe frustriert auf und gehe weiter. Ich habe nämlich Besseres zu tun.
Das ist doch die Aufgabe der Überschrift. Die muss kurz und prägnant sagen, um was es in dem Text geht.
Das wäre mal ein Anfang. Aber nach dem Anfang soll es ja noch weitergehen. Und alles, was da noch kommt, soll ja auch gelesen werden. Das gilt nicht nur für Konzepte, sondern auch für alle Arten von Angeboten, die wir so machen und für die wir Kunden oder Schüler gewinnen wollen.
Zwischenüberschriften – weiß doch jeder. Man muss Zwischenüberschriften machen, um den Text optisch zu strukturieren.
Optik ist für Tapeten. Text strukturiert man besser mit – Überraschung – Information. Einen Text zu strukturieren bedeutet nicht, einfach zwei, drei Zwischenüberschriften zu machen. Vor allem wenn sie Allgemeinplätze enthalten, sind das eher Ausstiegshilfen für den Leser, denn der weiß dann: Ab jetzt kommt nichts Interessantes mehr. Deshalb gilt für jede Zwischenüberschrift, was auch für die Überschrift gilt. Sie sagt: Ab jetzt kommt diese Information.
Also ganz viele Überschriften machen.
Oder Fragen stellen. Das geht besser ins Hirn.
Was denn für Fragen?
Fragen, die sich vielleicht der Leser stellen könnte.
Könnte ich ein Beispiel haben?
- Beispiel 1 (langer Text, kompliziertes Thema, Lesezeit: 30 Minuten)
- Beispiel 2 (kurzer Text, simpel, Lesezeit: 30 Sekunden)
Beide Artikel wurden ziemlich oft über Facebook geteilt.
Also sind Frage-Antwort-Texte der einzig erfolgversprechende Weg?
Nö. Man kann auch Listen machen (auch Listicle genannt).
Listen. Echt jetzt? Durch einen Spiegelstrich vor jedem Absatz wird ein langer Text doch nicht interessanter.
Stimmt, ein Spiegelstrich oder Bullet-Point allein gibt den Informationen noch keine Struktur. Auch hier fängt alles mit der Überschrift an. Unter einer Überschrift wie
„Was Sie über das Abitur an einem Berufskolleg wissen müssen“
oder
„Wie sieht die soziale Betreuung der Bewohner in unserem Seniorenheim aus?“
oder
„Sieben Wahrheiten über den Distanz-Unterricht“
lassen sich einzelne Informationshäppchen in einfachen Sätzen leicht ordnen. Das heißt: Hauptsätze, höchstens ein Nebensatz, keine Phrasen, keine Fachbegriffe, die ich erst googeln muss.
Am Anfang der Information steht idealerweise ein einfacher Aussagesatz (keine Nebensätze). In den weiteren Zeilen kann man sagen, warum das so ist oder wie man darauf kommt oder was man davon hält. Und dann kommt der nächste Punkt.
Wichtig ist, ein so strukturiertes Format schon in Überschrift und Teaser zu erklären.
Zum Beispiel:
Sieben Wahrheiten über den Distanz-Unterricht
Wo klemmt es? Wer trägt die Schuld? Wo ist Besserung in Sicht? Wie lange noch? Ein Erklärstück zum Wundern uns Staunen
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