Staatssekretär Karl-Josef Laumann im Seniorenheim St. Josef in Wadersloh
„Die zentrale Frage der nächsten Jahre wird nicht sein, wie wir die Pflege finanzieren, sondern was zu tun ist, damit wir ausreichend Menschen haben, die sich um Pflegebedürftige kümmern“, betonte Staatssekretär Karl-Josef Laumann am Mittwochnachmittag im Seniorenheim St. Josef in Wadersloh.
Die vom Bundestag verabschiedeten Pflegestärkungsgesetze hätten dafür schon wichtige Weichenstellungen vorgenommen: etwa indem die Kostenträger ordentliche Tariflöhne refinanzieren müssten. Aber das Problem des jährlich um 20.000 Pflegekräfte steigenden Bedarfs in Deutschland sei damit längst nicht gelöst, die Bezahlung dadurch noch nicht gerecht: „Altenpflege ist eine sehr anspruchsvolle Ausbildung. Und trotzdem werden Menschen, die andere Menschen qualifiziert pflegen, schlechter bezahlt als Menschen, die Technik pflegen. Wir schimpfen viel schneller über die Höhe der Rechnung eines Pflegedienstes als über die unserer Autowerkstatt.“
Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevollmächtigter für Pflege war auf Einladung des Gemeindeverbandes der CDU in Begleitung des CDU-Landtagsabgeordneten Henning Rehbaum ins Haus St. Josef nach Wadersloh gekommen. Da sein Spezialgebiet die Pflege ist, hatte Heimleiter Andreas Wedeking angeboten, die Veranstaltung im Foyer des Seniorenheims auszurichten.
Demenz aus dem Schatten holen
Wedeking leitet die Ortsgruppe der Lokalen Allianz für Demenz und machte deshalb schon in seiner Begrüßung deutlich, dass dieser Bereich der Pflege – auch demografisch bedingt – noch mehr an Bedeutung gewinne: „Dadurch dass Menschen älter werden, nimmt diese Form der Pflegebedürftigkeit zu. Gerade im ländlichen Bereich müssen wir das Thema aus dem Schatten holen.“ Zu oft werde es bei persönlicher Betroffenheit seiner Meinung nach totgeschwiegen: „Viele wollen sich nicht eingestehen, dass ihr Vater oder ihre Ehefrau dement ist. Aber oft überfordern sich die Angehörigen dann mit der Betreuung und Pflege.“
Aus diesem Grund biete das Haus St. Josef Kurse an, in denen Angehörige für den Umgang mit dieser Wesensveränderung ausgebildet werden. „Und mit unserem Projekt ‚Kindern Demenz erklären‘ wollen wir schon den Jüngsten erklären, was passiert, wenn Oma oder Opa auf einmal so anders sind. Denn für die nächste Generation muss der Umgang mit dieser Krankheit genauso vertraut sein wie ein Knochenbruch“, so Wedeking.
Karl-Josef Laumann erklärte, dass die Auflösung der Pflegestufen zugunsten der Pflegegrade seit Anfang dieses Jahres dazu beitrage, die Pflege demenziell veränderter Menschen finanziell besser zu fördern und zu erleichtern: „Die vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen erfundene Minutenpflege wird damit abgelöst.“
Bisher war es üblich, den Pflegeaufwand nach Zeitaufwand für Zähneputzen oder Strümpfe anziehen zu berechnen. Dieses Modell habe Demenzerkrankten nie gerecht werden können, so Laumann. Die jetzige Einordnung der Pflegegrade lasse da mehr Ermessensspielraum: „Das führt auch dazu, dass jetzt 300.000 bis 400.000 weitere Menschen Leistungen erhalten, die vorher gar keine Pflegestufe hatten.“
Leistung zu Bedürftigen bringen
Auch verteidigte Karl-Josef Laumann die gleichberechtigte Finanzierung von Pflege zu Hause oder in einem Heim: „Den Satz ‚Ambulant vor Stationär‘ werden Sie von mir nicht hören. Wo ein Betroffener gepflegt wird, ist seine Entscheidung bzw. die seiner Familie. Wir müssen die Leistungen dahin bringen, wo der Pflegebedürftige wohnen will.“ Das sei schon deshalb wichtig, um keine Konflikte zwischen familiärer Hilfe und professioneller Hilfe aufzubauen.
Dabei sei das Heim eine wichtige Option: „Das ist keine ‚Abschiebung‘. Abgeschoben ist ein Mensch erst, wenn er nicht mehr besucht wird.“ Gerade für Demenzerkrankte sei die stationäre Unterbringung oft die bessere Lösung. Andreas Wedeking weiß aus seiner Erfahrung als Heimleiter: „Familien oder Ehen werden dadurch nicht getrennt – sondern entspannt.“
Durch die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes um einen halben Lohnpunkt seit diesem Jahr stünden für die Pflege jährlich sechs Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung, so Laumann. Die Hälfte davon komme Demenzerkrankten zugute.
Lokale Allianzen fortführen
Andreas Wedeking bat vor diesem Hintergrund allerdings auch, die befristete Projekt-Finanzierung der lokalen Allianzen für Demenz fortzuführen: „Das Ziel von 500 Allianzen bundesweit wurde erreicht und darin passiert unglaublich wichtige, vernetzende und trägerübergreifende Arbeit.“ Karl-Josef Laumann ging darauf inhaltlich nicht ein, nahm diesen Appell aber auf. Dass demenziell veränderte Menschen viel besser in die Gesellschaft integriert werden könnten, bestätigte er: „Manche können noch sehr gut singen. Warum also nicht im Kirchenchor? Und andere können gut tanzen – warum also nicht auf dem Schützenfest? Wir müssen noch lernen, damit umzugehen.“
Und den Trägern im Bereich der Pflege rät er – wie schon bei der Podiumsdiskussion der Bildungsakademie für Therapieberufe vor zwei Jahren – eine eigene Kammer wie die Handwerkskammer zu gründen: „Die hätte auf Anhieb 1,1 Millionen Mitglieder und politisch einen ganz anderen Einfluss. Erst dann wird die Pflege mündig.“