500 Besucher erleben beeindruckende Judas-Vorführung am Karfreitag
Fast 500 Menschen saßen am Abend des Karfreitages dicht gedrängt in der Dreifaltigkeitskirche des Bergklosters Bestwig, um das Schauspiel „Judas“ zu sehen. „Ist hier jemand, der sich traut zu sagen: ‚Mein Name ist Judas‘?“, fragt einer der Darsteller zum Ende des Stücks. Es herrscht gebannte Stille. Schwester Maria Ignatia Langela, die das Theaterlabor Schwerte zu dieser außergewöhnlichen Darbietung eingeladen hat, fügt hinzu: „Und wer traut sich zu sagen, dass er ein Gefangener ist?“
Vier Männer spielen Judas. Jeder auch aus seiner eigenen Lebensperspektive. Alle vier waren oder sind Gefangene, verbüßen eine Freiheitsstrafe oder sind erst seit kurzer Zeit wieder auf freiem Fuß. Im Theaterspiel erfahren sie Befreiung, wie einer der Schauspieler in der Vorbereitung verriet. Der evangelische Gefängnisseelsorger Dirk Harms leitet das Theaterlabor Schwerte, das schon 14 Inszenierungen auf die Bühne gebracht hat. Die Aufführungen finden normalerweise nur in der Justizvollzugsanstalt statt. Dass die Judas-Darbietung nun außerhalb der Gefängnismauern möglich wurde, bedurfte einer langen Vorbereitungsphase – und bleibt vorerst einmalig.
Ein Monolog für vier
Das Drama der niederländischen Autorin Lot Vekemans ist als Monolog geschrieben. In der Inszenierung des Theaterlabors wird er von bis zu neun Darstellern dargeboten. Doch nicht alle von ihnen durften in Bestwig dabei sein. Daher waren es am Karfreitag vier. Also wurde die Inszenierung umgearbeitet, angepasst. Auch bezog Dirk Harms, der bei dem Projekt Regie führt, die liturgischen Orte mit ein: Den Altar, den Tabernakel, die Marienstatue.
„Er konnte hinter die Dinge schauen“, sagt Micky, als er in den leeren Tabernakel starrt. Gemeint ist Jesus, den Judas verraten hat und den er nun sucht. Die vier Darsteller zeigen die innere Zerrissenheit des Apostels. „Ein Mensch handelt viel häufiger aus Zweifel als aus dem Glauben heraus“, sagt Micky. Jeder der Gefangenen spielt sich in seiner Rolle auch selbst.
Die Besucher folgen dem vierfachen Monolog aufmerksam. Manchmal aus verschiedenen Richtungen, denn die Darsteller bewegen sich in der Kirche. Sie sprechen die Besucher an. Und sie stellen acht Spiegel im Altarraum auf. Das Publikum sieht sich darin.
Eigene Grenzen oft schlimmer
Die Botschaft: Zweifel und Verzweiflung stecken in jedem von uns. Ebenso Unehrlichkeit und Verrat. Dirk Harms weiß aus der jahrelangen Probenarbeit im Theaterlabor, dass jeder sein eigenes Gefängnis hat: „Denn die Grenzen, die wir uns selbst setzen, sind manchmal die schlimmsten.“ So ist auch die Frage von Schwester Maria Ignatia zu verstehen: „Wer von uns ist ein Gefangener?“
Als die vier Schauspieler den Altarraum verlassen, der an diesem Abend nicht nur Bühne, sondern Ort einer Wandlung war, herrschen Stille und, Betroffenheit. Und als sie wieder zurückkommen, brandet Applaus auf. Es sei ein emotional aufwühlender Abend gewesen, bedankt sich Schwester Maria Ignatia. Der Karfreitag sei ganz nahe gewesen, Ostern aber auch.
Diese Bildergalerie gibt Eindrücke von des Abends wieder: