Ein leiser Laut fürs neue Jahr
Ein kleiner Gast legt seinen Zeigefinger auf die Lippen und zeigt zu mir herüber. Er ist vielleicht fünf Jahre alt und über den Jahreswechsel mit Mama und Papa im Kloster. Fast wäre ich über ihn gestolpert.
Die Gäste halten in ihrem Programm gerade Rückblick und ich laufe zwischen Kopierer und Kurs. Ein wenig kopflos, mein Zustand. Der Kleine hat sich versteckt und taucht plötzlich hinter der Säule auf. Seine Überraschung ist gelungen, ich erschrecke mich. Er legt seinen Finger auf die Lippen und sagt einfach (mit einem verschmitzten Lächeln): „Pssst“. Und weg ist er. Dieses Wort und seine Geste gehen aber nicht weg. Eigentlich ist es kein Wort, eher ein Laut, der im Bauch klingt.
Ein Laut für den Übergang. Ein Laut, der eine Schneise schlägt in die vielen Worte und Gedanken. Ein Laut, der still macht, hörend und ein bisschen neugierig. Ein kleines Geräusch. Ich lege meinen Finger auf die Lippen und flüstere einfach mal nur so für mich: „Pssst…“ Ich komme mir ein wenig komisch vor, und so gut wie beim kleinen Gast klingt es auch nicht. Aber ich habe ja noch Zeit zum Üben, ein ganzes neues Jahr lang.
Sr. Ruth Stengel